Steinhauer, Franziska
gab Mendetti zu bedenken. „Sie werden dem Staatsanwalt gar nichts erzählen.“
„Ja, Nikola, so sehe ich das auch!“
Mendetti registrierte beschwingt, wie leicht ihr sein Vorname über die Lippen kam.
Das Klingeln von Klapproths Handy unterbrach ihr Gespräch.
„Entschuldigung“, murmelte die Kommissarin und meldete sich.
„Oh, Malte. Gibt es was Neues?“
„Ja. Stell dir vor, ich habe zwei Zeugen gefunden. Sie haben in jenen frühen Morgenstunden auf dem Weg nach Hause drei junge Männer bemerkt, die aus dem Hof gekommen und zügig um die nächste Ecke gebogen sind. Wiedererkennen würden sie die drei allerdings nicht. Sie waren dick eingemummelt, trugen Mützen, zwei einen Anorak, der dritte einen langen Mantel. Allerweltsbeschreibungen: Mittelgroß, mittelschwer, einer wirkte besonders sportlich. Woran er das bemerkt haben will, kann der Zeuge nicht sagen. Und bei dir?“
„Ich habe mich heute aufs Gelände der Sekte geschlichen, aber weder Julian noch Mario gesehen. Nocturnus stand hinter dem Fenster und starrte ins Tal, Phobius habe ich im Anbau verschwinden sehen, insgesamt wirkten sie etwas unruhig.“
„Bist du etwa bei ihnen eingebrochen?“
„Wenn man böswillig ist, könnte man das so sehen. Ich würde jedoch eher sagen, dass ich beim Wandern vom Weg abgekommen bin. Und ins Gebäude bin ich sowieso nicht hineingekommen. Zu viele Bewohner. Gesehen hat mich niemand. Die Kinder Lucifers haben wirklich harte Arbeit geleistet – schließlich hatten sie nur wenig Zeit. Sieht allerdings nicht so aus, als kämen die beiden Jungs aus freien Stücken zu mir, um mit nach Deutschland zurückzureisen. Vielleicht weil sie doch gefangen gehalten werden. Ich hole sie mir morgen früh! Überrumpelung im Schlaf!“
„Jungs in dem Alter sehnen sich nach einer Reise in einem Streifenwagen?“, lachte Malte Paulsen und seine Kollegin fiel mit ein.
„Ja, so etwa in der Art.“
„Liebe Grüße an Michaela, geht es ihr gut?“
„Na, ja. Mutter und Kind sind wohlauf und voller Tatendrang, du weißt schon, das Kostümproblem ist noch immer nicht gelöst.“
„Viel Glück – in allen Bereichen!“, wünschte Klapproth ihm zum Abschied, und Paulsen knurrte:
„Wird sich finden!“
„Nikola, wir haben ein Problem, das wir zusammen lösen können“, erklärte sie dem Commissario und steckte das Mobiltelefon wieder in die Jackentasche.
„Nun, wenn wir es gemeinsam lösen können, ist es doch im Grunde schon gar kein Problem mehr“, gab Mendetti charmant zurück, und sein Lächeln wurde noch breiter.
Maja Klapproth schalt sich eine alberne Gans, als sie ihr Herz bis zum Hals schlagen spürte. So konnte ein Teenager reagieren, vielleicht auch noch ein Twen, aber mit Sicherheit keine Frau in ihrem Alter. Für private Dinge war jetzt außerdem kaum der richtige Zeitpunkt!
„Du hast bis morgen alles Rechtliche geregelt, die Verstärkung wird da sein, und wir werden die beiden befreien. Das ist der erste Schritt. Die Sekte wird dagegen wohl vorläufig in St. Gertraud bleiben, es sei denn, wir können nachweisen, dass sie die Jungs entführt haben. Und das – Schritt zwei – müssen wir erst einmal beweisen“, führte Klapproth aus.
„Ich kann vielleicht noch Verständnis dafür aufbringen, dass ein Jugendlicher glaubt, er könne es zu Hause nicht mehr aushalten oder er müsse seine Eltern strafen, indem er davonläuft,“ meinte Mendetti. „Aber wenn die Ausreißer dann von der Polizei eingesammelt werden, bleibt davon meist wenig übrig. Familiäre Probleme sollten auf andere Weise gelöst werden.“
„Das geht leider nicht immer. Wenn sich Jugendliche drangsaliert fühlen oder missverstanden, überlegen sie nicht mehr rational und übersehen oft die nächstliegende Lösung.“
„Das ist eine persönliche Erfahrung.“
„Ja, und sie hat mit unserem Fall nur am Rande zu tun.
Jetzt geht es erst einmal darum, die Jungs aus diesem Haus zu holen, egal ob sie nun freiwillig dort wohnen oder nicht!“
„Und genau das werden wir morgen tun!“, verkündete Mendetti selbstbewusst. „Im Moment befinden sie sich im Tal. Es gibt keinen Grund für die beiden, St. Gertraud zu verlassen.“
Doch darin täuschte er sich gründlich.
33
Dirk Stein beobachtete seine drei Mitstreiter kritisch.
Nocturnus hatte zwar behauptet, die beiden Neuzugänge wären auf ganz besondere Weise für die Mitarbeit in seinem Team geeignet, doch wenn er ihre jungen Gesichter genauer betrachtete, machten sich mehr und
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