Steinhauer, Franziska
mehr Zweifel in ihm breit. Gut, versuchte er seine zunehmende Nervosität zu dämpfen, wirklich besondere Fähigkeiten würden ihnen bei dem heutigen Einsatz auch gar nicht abverlangt werden. Entschlossenheit, darauf kam es eher an. Mario und Julian hatten schon unter Beweis gestellt, dass sie knallhart agieren konnten, doch war das wirklich an jedem Ort und zu jeder Zeit abrufbar? Und Robert? Den hatte ihm Nocturnus nur geschickt, weil er nicht wusste, wohin er ihn sonst stecken sollte!
Robert habe sehr spezielle Neigungen, die Dirk Stein sich zunutze machen sollte. Ha! Der Kunstkritiker warf wieder einen Blick in den Rückspiegel und überlegte, was er darunter zu verstehen hatte. Nun, in wenigen Stunden würde sich herausstellen, ob das Trio gute Arbeit zu leisten vermochte.
Die kleine Kapelle war schon von Weitem gut zu erkennen.
Als einziges Gebäude auf einem schmalen Grat und unwirtlichem Fels erbaut, sah sie aus, als fürchte sie, in die Tiefe zu stürzen, und recke deshalb ihr Türmchen Hilfe suchendGott entgegen. Wie dumm und lächerlich – Stein war direkt amüsiert –, die Not kam nicht aus der Tiefe und kein Gott konnte ihr gegen das beistehen, was ihr nun widerfahren würde.
„Heute bekommst du Besuch vom Teufel und seinen Helfern“, freute er sich und wies auf das Kirchlein. „Dies ist eine Knappenkapelle. In den Tälern hier wurde einst nach Erzen geschürft. Die Knappen, die diese schwere Arbeit leisteten, richteten Kapellen ein und statteten sie reich aus. Schließlich sollte Gott es vom Himmel aus funkeln sehen, wenn sie ihn anflehten, ihre Stollen nicht einstürzen zu lassen oder sie vor giftigen Gasen zu bewahren. ,Gott‘ hat sich aber natürlich nicht um ihre Bitten gekümmert, und so wurden sie verschüttet, vergiftet, und von den Chemikalien verseucht, mit denen sie bei ihrer Arbeit hantieren mussten.“
„Aha.“ Robert wirkte gelangweilt und begann, demonstrativ an seinem Verband zu zupfen.
„Das ist kein Nachhilfeunterricht in Geschichte! Das ist die Erklärung für das, was wir dort oben finden werden!“, ärgerte sich Stein.
„Goldene Kelche?“, fragte Julian, der sich für den historischen Exkurs ebenfalls nicht interessierte.
„Mehr als das! Viel mehr! Und wir nehmen es diesen heuchlerischen Schwachköpfen weg und überreichen es dem, dem es zusteht. Noch heute Nacht werden wir unsere Schätze dem Herrn der Finsternis zu Füßen legen! Er wird stolz auf uns sein!“ Steins Brust wölbte sich in vorweggenommenem Triumph.
„Wir holen das Zeug einfach aus der Kapelle raus und bringen es nach St. Gertraud? Das ist alles? Nocturnus hat mir versprochen, ich dürfte an einem spannenden Sondereinsatz teilnehmen!“, maulte Robert enttäuscht.
„Die Spannung bei diesem Einsatz ergibt sich aus der Aufgabe, unser Vorhaben unbemerkt durchzuführen, ohne dass uns die Alarmanlage verrät und die Polizei uns verhaftet!“
Stein parkte den Wagen hinter einem Holzstoß. „Bewegt euch wie harmlose Spaziergänger, wir wollen schließlich niemandem auffallen. Zieht diese Handschuhe an. Drei Paar übereinander. Wenn einer reißt, sagt mir sofort Bescheid, damit ihr ihn ersetzen könnt.“ Er reichte jedem ein Bündel Latexhandschuhe. „Werft keinen Handschuh weg. Die Polizei verfügt inzwischen über Möglichkeiten, in ihrem Innern Fingerabdrücke zu sichern!“
Es quietschte leise, als die drei ein Paar über das andere streiften. Die Handschuhe glitten nicht gut übereinander und es dauerte eine Weile, bis sie es endlich geschafft hatten, sie überzuziehen.
„Wir gehen zu Fuß hoch. Um diese Zeit sollte niemand mehr bei der Kapelle sein. Sollten wir doch auf einen Touristen treffen, steckt eure Hände in die Taschen, als sei euch kalt, damit man die Handschuhe nicht sieht, nickt dem anderen freundlich zu und geht zügig weiter. Wir werden uns wie neugierig umherwandernde Urlauber benehmen, ist das klar?“
Das Trio nickte.
Der Kunstkritiker stieg aus und öffnete den Kofferraum. „Hier, das sind eure Rucksäcke für den Abtransport der Beute. In jedem der Backpacks findet ihr eine Skimaske. Zieht sie euch übers Gesicht, wenn wir oben sind. Für den Weg setzt ihr eure Kapuzen auf. Aus der Psychologie wissen wir, dass Menschen, deren Haare verborgen sind, den anderen nur schlecht im Gedächtnis bleiben. Sollte sich später jemand an die vier Wanderer erinnern, wird er keinetauglichen Angaben für die Erstellung eines Phantombildes machen können.“
Neugierig untersuchten
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