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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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es war Amalia!
    „Hier!“, brachte sie mühsam hervor, rappelte sich auf und trat aus der Deckung des Baumes, „Hier!“
    Nur Sekunden später tauchte der dunkle Lockenschopf Amalias hinter einer Fichte auf.
    „Helene! Was ist denn mit dir passiert?“ Mit wenigen Schritten hatte Amalia sie erreicht und schloss sie fest in ihre Arme.
    „Biest ist tot!“, schluchzte Helene hemmungslos auf. „Jemand hat ihn getötet! Es ist entsetzlich! Sein Kopf – und überall Blut!“
    Amalia streichelte beruhigend über die Haare des verstörten Mädchens.
    „Schschsch! Komm mit mir. Ich koche uns einen Tee und begleite dich dann nach Hause zurück. Um Biest werde ich mich nachher kümmern“, versprach die geheimnisvolle Frau, und Helene nickte.
    Amalia umfasste die Taille des Mädchens und schob es energisch aus dem Wald hinaus auf eine lichte Weide. Helene zitterte und lehnte sich dankbar an die zupackende Freundin ihrer Mutter. Immer wieder warf sie nervöse Blicke über ihre Schulter zurück zum Waldrand, und einmal glaubte sie dort einen dunklen Schatten zu entdecken. Als sie Amalia darauf aufmerksam machen wollte, war er jedoch verschwunden.
    Ihr Tod würde auf eine günstigere Gelegenheit warten müssen.
    Marlies und Reni sitzen auf der Eckbank und starren schweigend aus dem Fenster.
    Die neuesten Nachrichten, die im Dorf kursieren, sind besorgniserregend.
    „Noch einen Tee?“ Marlies nickt.
    Gäste sind um diese Zeit nur wenige hier, da kann sie in Ruhe mit Reni über den neuen Schrecken sprechen.
    „Und die Kleine ist tot?“
    „Nein, nein. Aber sie liegt im Krankenhaus. Sie ist so schwer verletzt, dass man nicht weiß, ob sie durchkommt.“
    „Wer hat denn …?“
    „Bisher ist der Täter unbekannt. Der Bruder war wohl nicht im Haus, als es passierte. Jakob war mit seinem Bruder Holz holen. Es gibt außer der Kleinen keinen Zeugen, meint die Polizei.“
    Sie schweigen.
    Reni serviert Marlies noch einen Früchtetee, und die Freundin pustet über die heiße Flüssigkeit.
    „Benno meint, sie haben alle das Mörder-Gen. Der Jakob, sagt er, hat es seinen beiden Kindern vererbt. Man hätte es eigentlich schon früher merken können, weil jeder im Dorf weiß, wie eiskalt der Jakob vor ein paar Jahren den Jagdhund seines Bruders erschossen hat, nur weil das Tier Waltraud angefallen hatte.“
    „Und Benno ist sicher, dass die Kinder das schlechte Erbgut auch haben?“
    „Ja. Er sagt, wenn man die beiden beobachtet, spürt man das. Sie kapseln sich ab, sprechen nur untereinander, und ihre Augen leuchten böse. Auch die Tatsache, dass sie so viel Zeit mit Amalia verbringen, ist ein Beweis. Schließlich wissen wir ja alle, dass diese Hexe den Tod als Verbündeten hat.“
    Reni nickt.
    Amalia schickt den Tod, flüstern die Leute.
    Sie sage ihn voraus – und er tut ihr den Gefallen und kommt.
    Es ist ein unheiliger Bund, und viele glauben, Amalia habe dafür ihre Seele an den Satan verkauft.
    „Aber“, berichtet Marlies weiter, „sie kann Maria nicht umgebracht haben. Benno selbst hat sie zur Tatzeit in ihrem Garten gesehen. Aber Jakob hat schon immer gerne mit ihr getuschelt.“ Sie wirft Reni einen vielsagenden Blick zu. „Abgründe ziehen einander an!“
    „Woher hast du gewusst, dass ich dort im Wald war? Ich gehe sonst nie allein aus dem Haus.“
    „Ich bin eine Seherin, Helene. Ich habe gesehen, dass du in großer Gefahr schwebst“, antwortete Amalia schlicht, und Helene schwieg für den Rest des Weges.
    In ihrem Haus, weit über dem Dorf, setzte Amalia das Mädchen an den Ofen, schob ihm ein Kissen in den Rücken und bat die Hündin Hildegard, ein Auge auf die Besucherin zu haben, während sie Tee zubereitete.
    In Helenes Kopf wirbelten Fragen, Eindrücke und Gewissheiten wild durcheinander, bis ihr schwindlig wurde.
    Schon bald kehrte Amalia mit einem Tablett aus der Küche zurück. Der Tee duftete nach Orangen und Zimt, und auf einem Teller waren Kekse zu einem Ornament arrangiert. Als sie ihre dampfende Tasse Tee in der Hand hielt, stellte Helene fest: „Wenn du wirklich eine Seherin bist, weißt du auch, wer Biest getötet hat!“
    „Ja, das weiß ich. Aber ich kann es nicht beweisen.“
    „Wer? Wer hat das getan?“
    „Der Mörder deiner Mutter!“
    „Nein“, entfuhr es Helene, noch ehe sie es verhindern konnte. „Papa ist gar nicht da, er ist mit Heiko unterwegs!“
    „Papa? Wieso Papa?“ Amalia war konsterniert. „Dein Vater hat mit dem Tod deiner Mutter nichts zu tun!“
    Helenes

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