Steinhauer, Franziska
und versperrte ihm breitbeinig den Weg. „Und das sollen wir glauben?“, höhnte er und spuckte auf die Straße, als er sah, wie sich einige hastig bekreuzigten. „Und warum istdann meine Rosa gestorben? Hä? Sie lebte ihr ganzes Leben ,unter dem Zeichen des Kreuzes‘! Schon als sie noch nicht geboren war, entwickelte sie sich unter dem Kreuz, das meine Susanne stets trägt. Und selbst nachdem sie ,unter dem Zeichen des Kreuzes‘ begraben wurde, schützt der Herr sie nicht, sondern lässt die Schändung ihres Grabes geschehen!“
Dazu wäre dem Gemeindepfarrer sofort die passende Antwort eingefallen, ebenso zu Annas Verschwinden. Doch dann erkannte er gerade noch rechtzeitig, dass jede Kritik an der Festigkeit des Glaubens des Mädchens oder ihrem freizügigen Lebenswandel seinen Bemühungen, die Gemüter zu besänftigen, abträglich gewesen wäre, und schwieg.
„In Krisen wie dieser ist Gott der einzige Halt, der uns bleibt! Gerade du solltest das eigentlich wissen!“, schleuderte Josephine Rainer entgegen.
Unruhe breitete sich aus, die geordnete Formation löste sich auf, und die Gruppe spaltete sich. Einige versammelten sich hinter Rainer, sodass niemand mehr die Straße zur Kirche hinauf passieren konnte.
Mendetti löste sich aus der Ansammlung und hielt sich im Hintergrund. Er wusste, dass Pfarrer Weißgerber zu diesem Zeitpunkt über eine Einmischung der Polizei nicht sehr glücklich gewesen wäre, und beschloss daher, dem Seelsorger noch etwas Zeit zu lassen, um seine Herde wieder zu sammeln.
„Wird diese Sekte nicht verdächtigt, zwei Jugendliche aus Deutschland verschleppt zu haben?“, mischte sich nun auch Stefano Berger ein.
„Na bitte!“, triumphierte Rainer.
„Gebete mögen ja bei Naturkatastrophen ein probatesMittel sein! Aber diese Satanisten sind kein Wirbelsturm, und die Gumpers kein Tsunami! Wir müssen unser Schicksal in die eigenen Hände nehmen und dieses ganze widerliche Pack vertreiben!“, polemisierte Berta und drohte mit einem Beil, das sie bisher unter ihrem Mantel verborgen hatte.
Nun hielt sich Mendetti nicht länger zurück. „Berta, das Beil solltest du lieber wieder auf deinen Hof zurückbringen. Was du hier tust, ist Anstiftung zum Mord!“
„Was Sie nicht sagen, Commissario! Dann unternimm du doch etwas, um dieses arme Mädchen zu retten! Wo sind denn deine Beamten? Es ist doch wie immer – die Polizei guckt tatenlos zu, und wenn wir nicht selbst eingreifen, geschieht nichts!“
„Meine Beamten suchen längst nach Anna! Es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass jemand sie im Dorf gefangen hält!“, versuchte Mendetti die Menschen mit logischen Argumenten zu überzeugen. „Also Berta Pumpa – bring das Beil auf deinen Hof zurück!“
In diesem Moment schlug sich auch der Ortsvorsteher, der den Stimmungsumschwung zur Pflege seines politischen Images nutzen wollte, auf die Seite der Aktivisten.
„Du lieber Himmel! Vielleicht quälen sie gerade in diesen Minuten das arme Mädchen in ihrem ,Tempel‘ zu Tode! Und wir diskutieren hier sinnlos auf der Straße herum. Es ist schließlich unser Dorf! St. Gertraud gehört uns! St. Gertraud sind wir! Lasst uns aufstehen und wie ein Mann kämpfen!“
Amalia, die sich hinter dem Ultnerhof versteckt und die hitzige Diskussion verfolgt hatte, lief lautlos davon.
Sie hatte genug gehört.
Maja Klapproth öffnete geräuschlos das Fenster.
Sie erkannte den Pfarrer und beobachtete, wie Mendetti in der Gaststube verschwand.
Die große Frau, die alle um mindestens einen Kopf überragte, musste Berta Pumpa sein. Überall, wo es Tumult gab, war diese Frau federführend beteiligt.
Ihr Handy vibrierte.
„Hallo, Malte! Solltest du nicht um diese Zeit bei Frau und Kind sein?“
„Ja, wahrscheinlich sollte ich das. Aber ich habe wichtige Informationen für dich! Die Analyse der Speichelprobe. Du wirst nicht glauben, wer Manfred Krause bespuckt hat!“
Von unten drangen aufgeregte Stimmen bis in ihr Zimmer hinauf. Etwas musste die Menschen in St. Gertraud sehr aufgewühlt haben.
„Nun?“
„Mario Hilbrich!“
„Was?“
„Ja, du hast richtig gehört. Sieht ganz so aus, als müssten wir unser Bild von diesem jungen Mann revidieren. Sein Messer befand sich im Rucksack, seine DNA auf der Jacke des Toten. Er war in jener Nacht mit Julian unterwegs und ist danach spurlos verschwunden, angeblich freiwillig mit den Kindern Lucifers! Da kommt ziemlich viel zusammen, was er uns erklären muss.“
„Das macht
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