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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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geringschätzigen Blick zu.
    „Ich verkünde jetzt unter Zeugen – damit nicht wieder jemand sterben muss, weil ihr euch Sorgen macht“, sagte sie voller Verachtung, „dass ich ausziehe. Noch heute. Carstenholt mich in einer Stunde ab. Meine Koffer sind schon gepackt. Meine Handynummer gilt ab sofort nicht mehr – die neue gebe ich euch nicht. Meine Adresse ist meine Angelegenheit – ihr werdet sie nicht erfahren. Und verhungern muss ich auch nicht. Ich werde von Omas Erbe leben und mir einen Job suchen. Mischt euch nie wieder in mein Leben ein!“, fauchte sie, stand auf und knallte die Tür hinter sich zu.
    Die Buchwaldbauern hatten ihre Tochter verloren.
    Maja Klapproths Koffer waren ebenfalls gepackt.
    Für sie gab es hier so gut wie nichts mehr zu tun.
    Sie wollte noch das Ergebnis der Aufräumarbeiten und der Hausdurchsuchung im Sektengebäude abwarten. Vielleicht würde sich dadurch klären, ob die beiden Jungs überhaupt dort Unterschlupf gefunden hatten, und wenn ja, ob entführt oder freiwillig. Außerdem hatte Mendetti sie eingeladen, bei der Vernehmung Berta Pumpas dabei zu sein.
    Danach würde sie Südtirol verlassen.
    Ob dieser Teil des Landes jemals wieder zur Normalität zurückfinden würde?
    Maja Klapproth bezweifelte das.
    Und noch jemand zweifelte.
    Pfarrer Gabriel Weißgerber legte das letzte seiner Bücher in einen der drei Bücherkartons und verschloss den Deckel. Erstaunt registrierte er, wie wenig Gepäckstücke außer den Kartons neben ihm auf dem Boden standen – sein Leben passte in zwei mittelgroße Koffer und eine kleine Reisetasche.
    Leise stöhnend trug er den ersten Karton zu seinem Wagen.
    Wie hatte er sich nur so täuschen können!
    Viele Mitglieder seiner Gemeinde kannte er von Geburt an, und trotz aller Gerüchte war St. Gertraud ihm wie ein gottesfürchtiger Ort vorgekommen. Ja, man schien sogar besonders darum bemüht zu sein, den scheußlichen schwarzen Fleck in der Geschichte des Dorfes vergessen zu machen.
    Er hatte gedacht, er kenne die Menschen hier – sie hatten ihm so viele Jahre lang von ihren persönlichen Sorgen und Schwierigkeiten berichtet und ihm das Gefühl gegeben, mit ihnen gemeinsam am Abendbrottisch zu sitzen. Für die Allermeisten hätte er jederzeit seine Hand ins Feuer gelegt – und sie sich in der letzten Nacht furchtbar verbrannt.
    Er war bitter enttäuscht!
    In all der Zeit hatte er nie erkannt, wie sehr die St. Gertrauder unter der Vorstellung, der wahre Mörder im Fall Steinkasserer stamme aus ihrer Mitte, tatsächlich gelitten hatten. Sicher, in ihren Gesprächen war der ungeklärte Mord stets präsent gewesen, doch der Seelsorger war über die Jahre hinweg zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich nur um eine Marotte, eine fixe Idee handelte. Schließlich war die Annahme, dass der Mörder ein St. Gertrauder wäre, nur eine von mehreren Varianten gewesen, die in den Monaten nach dem Mord im Pfarrhaus diskutiert worden waren. Man hatte auch nach möglichen Einbrechern gesucht, eine Jugendgruppe verdächtigt, angenommen, der Mord sei von einem noch immer unbekannten Besucher des Pfarrers verübt worden. Ob Berta Pumpa dafür gesorgt hatte, dass diese eine Version der Geschichte sich im Denken der Menschen festgesetzt hatte? Eines war jedenfalls sicher: Die Wahrheit würden sie nie herausfinden, es seidenn, der Pfarrer Steinkasserer würde doch noch sein Schweigen brechen.
    Mit schweren Schritten stieg er die Treppe hinauf, um die zweite Kiste zu holen.
    Bei seiner Rückkehr fand er das Auto umstellt. Ächzend stellte er seine Last auf einem Felsbrocken ab. „Hochwürden, möchten Sie Ihren Entschluss nicht noch einmal überdenken?“
    „Nein!“
    „Aber ein neuer Pfarrer wird uns in unserer Lage nicht helfen können! Was weiß der denn schon? Sie waren letzte Nacht dabei …“
    „Eben!“, fiel der Pfarrer dem Sprecher ins Wort.
    „Bitte, Herr Pfarrer! Wir brauchen den Beistand eines Menschen, der versteht, wie es dazu kommen konnte!“ Annemarie legte ihre Hand auf die Schulter des Geistlichen.
    Pfarrer Weißgerber schüttelte sie ab wie ein ekelerregendes Insekt.
    „Tretet zur Seite!“, forderte er kalt.
    Schweigend rückten die St. Gertrauder vom Auto ab. Der Pfarrer lud den zweiten Karton ein.
    „Ich kann euch nicht helfen! In der Stunde der Not habt ihr euch gegen Gott gestellt! Hattet nicht genug Vertrauen in ihn und euren Pfarrer! Nein, ich bin nicht der Richtige für diesen Sprengel!“
    Wortlos sahen die Dorfbewohner zu, wie der

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