Steinhauer, Franziska
dritte Karton und die privaten Besitztümer ihres Seelsorgers einen Platz im Auto fanden.
Als er die Fahrertür öffnete, begannen die Frauen zu schluchzen.
Zögernd drehte Pfarrer Weißgerber sich noch einmal um und sah jedem Einzelnen lange ins Gesicht.
Ein Ruck ging durch seinen Körper, dann straffte er die Schultern, stieg ein und fuhr grußlos davon.
St. Gertraud war ab sofort eine von Gott verlassene Gemeinde!
Berta Pumpa überragte Mendetti um mindestens zehn, Klapproth um zwanzig Zentimeter.
Neben ihr wirkten der kleine Tisch und die umstehenden Stühle wie Puppenmöbel.
Trotzig vor der Brust verschränkte Arme, zusammengepresste Lippen und ein stur in die Ferne gerichteter Blick ließen auf keine große Bereitschaft zur Mitarbeit schließen.
„Guten Morgen.“
Berta reagierte nicht.
„Jakob Gumper wird überleben.“
Nicht einmal ihr Mundwinkel zuckte.
„Bleibt fürs Erste der Mord an Ihrer Schwester, der Überfall auf Ihre Nichte, der versuchte Mord an Jakob Gumper und die Tötung des Hundes, um das Mädchen in den Wald zu locken – wir gehen dabei von einem weiteren Mordversuch aus, der nur durch das Erscheinen einer dritten Person vereitelt werden konnte, und Anstiftung zum Überfall auf die Familie Gumper und die Kinder Lucifers.“
Verachtung lag in Bertas Blick, der ins Nichts gerichtet blieb.
„Wir haben eine Aussage von Dr. Gneis vorliegen. Darin erläutert er, warum er fälschlicherweise Todesursache ,natürlich‘ vermerkte, als er den Totenschein für Maria Gumper ausstellte. Aber er hat uns noch viel mehr erklärt. Anton Gumper hatte eine eigene Theorie zum Tod seiner Schwägerin, und wir werden überprüfen, ob er Recht damit hatte.“
„Anton ist tot!“, stellte Berta trocken fest.
„Ja, das ist wahr. Aber er hat vor seinem Tod noch anderen von seinen Überlegungen berichtet.“
Keine Reaktion.
„Sie sind die älteste Tochter von Peter Pumpa, nicht wahr? Da hat man von Kindesbeinen an eine große Verantwortung. Und wenn man so eine stattliche Erscheinung ist wie Sie, wird einem auch schon mal schwere Arbeit aufgebürdet“, eröffnete Klapproth.
Bertas Züge wurden milder.
Die trotzige Haltung blieb.
„Besonders nach der Geburt der kleinen Schwester, die viel schwächlicher war als Sie. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es ist, wenn sich alle nur noch um die Kleinere kümmern.“
„Pffff.“
„Nach dem Tod Ihrer Mutter haben Sie klaglos alles allein bewältigt, weil die kleine Schwester kaum mit anfassen konnte“, spann Klapproth den Faden weiter. „Niemand hat sich Gedanken darüber gemacht, ob Sie das auch alles schaffen können.“
Eine Träne löste sich aus Bertas Auge und tropfte auf ihre verschränkten Arme.
„Da haben Sie beschlossen, später, wenn Sie selbst Kinder haben, alles besser zu machen.“
Schweigen.
„Aber Kinder bekommt man nur, wenn man einen Mann hat. Doch Sie hatten neben dem Haushalt und der Käserei gar keine Zeit, auch noch Männerbekanntschaften zu machen. Und die paar, die es im Dorf gab, hatten eher Angst vor einer so beeindruckenden Frau wie Ihnen. Und um in der Gegend herumzutändeln …“
„Was wissen Sie denn schon?“ Mit Wucht knallte Bertas Hand auf den Tisch, der bedenklich ächzte.
„Erzählen Sie es mir!“
„Dieser Wurm! Ich habe sie großgezogen. Mutter war nach Marias Geburt krank geworden und konnte sich nicht um die Kleine kümmern. Ohne mich wäre sie schon in den ersten Tagen jämmerlich verreckt. Aber Berta hat es gerichtet! Berta richtete immer alles! Berta schleppte Holz herein oder Kohlen, Berta machte den Käse, melkte die Kühe, mistete den Stall aus und versorgte den Papa mit Essen! Berta, Berta, Berta! Die Kleine konnte man nicht mal zum Melken gebrauchen! Jedes Mal wurde der schlecht, weil sie den Geruch der Tiere nicht ertragen konnte! Aber egal – machte Berta das eben auch noch!“
Schweigend brütete sie einige Minuten vor sich hin. Doch einmal angefangen, war der Damm gebrochen, und so sprudelte es aus ihr heraus: „Und was macht die Kleine? Den Männern schöne Augen! Statt auch mal für Papa zu kochen oder im Haus zu putzen. Besucht Englischkurse! Früher war es so, dass die zweite Tochter erst heiraten durfte, wenn die ältere einen Mann gefunden hatte. Doch heutzutage gilt Tradition ja nichts mehr. Eines schönen Tages brachte sie den Jakob Gumper an. Der hätte eigentlich mir zugestanden, nicht ihr! Mir!“, schrie Berta, und im Gegenlicht sah man die Speicheltröpfchen
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