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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Rossbacher
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»Der Vater kriegt nimmer viel mit. Die Gerlinde – das ist seine Pflegerin – hat sich kurz nach zwanzig Uhr bei mir verabschiedet. Das weiß ich so genau, weil kurz darauf meine Lieblingskrimiserie angefangen hat.«
    »Und danach bist du nicht mehr aus dem Haus gegangen?«
    Franziska schüttelte den Kopf, während sie die Krümel am Tischtuch zusammenkratzte. »Nein. Ich hab mich am Heimweg verknöchelt. Beim Radlfahren«, erklärte sie.
    »Und der Michl war in der Tatnacht auch nicht mehr bei dir auf Besuch?«
    Franziska sah Sandra erschrocken an und bekreuzigte sich. In ihren Augen standen Tränen. Das Verbrechen schien ihr wirklich schwer zuzusetzen. Immerhin war sie selbst ein Opfer sexuellen Missbrauchs, vergegenwärtigte sich Sandra und beschloss, das Gespräch in eine erfreulichere Richtung zu lenken. »Schon gut, Franzi. Ich meinte ja nur, weil ihr doch im kommenden Mai heiraten wollt. Ich finde das übrigens großartig. Gratuliere euch beiden von Herzen!« Sandra schenkte ihr ein ehrliches Lächeln.
    Franziska wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und bedankte sich kaum hörbar. Ihre bleichen Wangen hatten auf einmal eine rosige Farbe angenommen, was ihr – wie früher so oft – eine gewisse Ähnlichkeit mit Miss Piggy verlieh, wenngleich sie heute keine hellblonde Lockenmähne mehr trug, sondern eine aschblonde, ausgefranste Kurzhaarfrisur, die vor allen Dingen eines war, nämlich praktisch. Franziska lächelte zaghaft. »Kann ich dann den Tisch abräumen?«, fragte sie.
    »Sicher, gleich. Wir sind hier sofort fertig. Nur noch eine Frage: Hattest du Kontakt mit Eva Kovacs? Ich meine, bist du ihr jemals persönlich begegnet – vor ihrem Tod?«
    Noch einmal bekreuzigte sich Franziska. Sandra erinnerte sich daran, dass ihr Gegenüber immer schon sehr religiös gewesen war. Ob der Glaube ihr auch geholfen hatte, ihr Schicksal zu bewältigen und ihrem Peiniger zu vergeben? Oder war ihre Gottgläubigkeit der Grund, dass sie ihren Vater geradezu zwanghaft ehrte, wie es die zehn Gebote forderten, obwohl er der Letzte war, der Respekt verdiente?, grübelte Sandra.
    »Ich bin dieser Frau nur ein einziges Mal begegnet. Die Mizzi hat mich gleich nach ihrer Ankunft in ihr Zimmer geschickt, um ihr einen Kaffee zu bringen. Sie hat mir dafür zehn Euro gegeben. Der Rest sei für mich, hat sie gesagt.«
    »Ziemlich großzügig. Und wann war das?«
    »Um halb fünf, in etwa.«
    »Und wie lange hast du an diesem Tag gearbeitet?«
    »Bis sechs, dann bin ich nach Hause gefahren.«
    »Mit dem Fahrrad – und hast dir dabei den Knöchel verletzt«, wiederholte Sandra.
    Franziska nickte.
    »Hast du einen Hausschlüssel vom Gasthof?«, wollte Sandra wissen.
    »Nein. Die Mizzi mag nicht, dass die Angestellten Schlüssel haben.«
    »Die Branka hat also auch keinen?«
    »Die schon gar nicht. Die Branka ist doch Ausländerin, da ist die Mizzi ganz besonders vorsichtig.«
    Sandra beschloss, die Bemerkung zu ignorieren. Die Vorurteile gegenüber Ausländern, auch wenn diese längst österreichische Staatsbürger waren, waren den St. Raphaelern einfach nicht auszureden. Das hatte sie schon damals immer wieder vergeblich versucht und es irgendwann aufgegeben.
    »Und wo warst du gestern und vorgestern?«
    »Zu Hause. Wegen meinem Knöchel. Ich hab immer wieder für die arme Frau gebetet.« Franziska bekreuzigte sich zum dritten Mal an diesem Morgen.
    »Wann und wie hast du denn von der Tat erfahren?«
    »Gleich in der Früh, so um halb acht – von der Gerlinde.«
    Die stille Post von St. Raphael funktionierte also immer noch hervorragend. »Alles klar, Franzi. Noch eine Bitte hätte ich an dich: Kannst du heute irgendwann in der Polizeiinspektion vorbeischauen? Wir brauchen deine Fingerabdrücke.«
    Franziskas Augen weiteten sich erneut vor Schreck.
    »Auch das ist reine Routine. Die Abdrücke vom Michl und der Mizzi haben wir schon am Mittwoch genommen. Die von Vilko und Branka auch. Jetzt fehlen nur noch deine, damit wir die Spuren aus dem Gästezimmer abgleichen und jene des Täters herausfiltern können.«
    Franziska nickte. »Na, gut. Dann schau ich am Nachmittag vorbei, gleich nach dem Mittagessen.«
    »Fein. Wir sehen uns also später.« Sandra erhob sich, um mit Bergmann in die Polizeiinspektion zu fahren. Die morgendlichen Befragungen hatten sie keinen Schritt weitergebracht. Weder Michl noch Mizzi oder Franziska hatten ihnen brauchbare Hinweise liefern können. Vielleicht würde Mike für neue Erkenntnisse

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