Steirerherz
Vaters.
Warum ausgerechnet dort?«, ergänzte Sandra, während ihr Partner sich nachdenklich
das unrasierte Kinn kratzte. Und wieder fuhr sie den Passat ein paar Meter weiter.
»Er hat die Leiche nicht versteckt,
um möglichst nicht entdeckt zu werden, wie es die meisten Täter tun würden. Stattdessen
hat er ein Zeichen gesetzt, sie öffentlich zur Schau gestellt. Er wollte, dass alle
sie sehen können. Aber warum?«, grübelte Bergmann laut vor sich hin.
»Entweder hat es dieser Bestie Lust
bereitet, sie derart zu misshandeln und auszustellen, oder er musste es tun.«
»Du meinst, er ist zwanghaft irgendeiner
Stimme in seinem kranken Gehirn gefolgt?«
»Gut möglich, dass er ein visionärer
Typus ist«, bestätigte Sandra. Erst unlängst hatte sie einen Workshop bei der Kriminalpsychologin
Doktor Christiane Reichelt besucht, die als eine der besten Operativen Fallanalytikerinnen
Österreichs galt. »Vielleicht war er aber auch ein missionarischer Typus und wollte
sein Opfer für irgendetwas bestrafen«, mutmaßte Sandra weiter.
»Frei nach dem Motto: Seht her,
was mit Frauen wie dieser hier geschieht?«
»Genau. Unser Täter könnte eine
Kombination aus beidem sein. Er folgte seinem Wahn – vielleicht einem religiösen
– und wähnte sich als ihr Erlöser vor dem Bösen. Daher musste er sie bestrafen und
öffentlich zur Schau stellen.«
»Aber wofür? Was könnte sie bloß
so Schlimmes getan haben?«, spann Bergmann Sandras Theorie weiter.
»Fragen über Fragen … Ich hoffe
nur, dass wir nicht noch vor einem weitaus größeren Problem stehen«, meinte Sandra.
Bergmann hob die Augenbrauen und
sah sie erwartungsvoll an.
»Na, wenn er damit durchkommt, wird
er es vielleicht wieder versuchen«, sprach Sandra ihre schlimmste Befürchtung aus.
»Dann sollten wir keine Zeit mehr
verlieren.« Bergmann wandte sich zur Rückbank um. Wenig später hatte er das Blaulicht
auf dem Autodach fixiert. »Na los! Worauf wartest du noch? Schalt das Martinshorn
ein«, forderte er Sandra auf.
»Du bist der Boss«, sagte sie und
schlängelte sich schließlich mit Blaulicht und Folgetonhorn durch die Kolonne, die
nach und nach Platz für den zivilen Einsatzwagen machte.
Keine 20 Minuten später stellte Sandra den Passat auf dem Kundenparkplatz
des Liebenauer Autohauses zwischen zwei auf Hochglanz polierten Edelkarossen ab
und stieg aus.
»Bist du deppert!« Bergmann starrte
begeistert auf das anthrazitfarbene Cabrio neben sich. »Ein funkelnagelneuer Maserati
GranCabrio. Ist das nicht ein geiles Gefährt?«
»Ja. Sehr hübsch. Ich frag mich
nur, wie sich ein derart miserabler Autofahrer wie du so sehr für einen Sportwagen
begeistern kann.«
»Na ja, so schlimm sind meine Fahrkünste
nun auch wieder nicht.«
»Doch. Noch viel schlimmer.«
»Moment mal …«, setzte Bergmann hinter ihrem
Rücken zum Protest an.
Sandra beeilte sich, den Haupteingang
des zweigeschossigen Glaspalastes zu erreichen, um der verbalen Rache ihres Partners
zu entkommen. Erst hinter der elektrischen Glasschiebetür holte er sie ein und bedachte
sie mit einem grimmigen Blick. »Na warte, du Luder!«, raunte er ihr zu, während
sie dem Informationsschalter entgegenstrebten.
»Kriminalpolizei?«, fragte die überschminkte
Wasserstoffblondine sichtlich erschrocken, nachdem Sandra sich und den Kollegen
vorgestellt und den Chef des Autohauses zu sprechen verlangt hatte. Wahrscheinlich
musste man so aussehen, wenn man in diesem überdimensionalen Spielzeugladen für
testosterongesteuerte Besserverdiener arbeitete, überlegte Sandra, während Bergmanns
Blick noch weiter im üppigen Dekolleté der Dame versank. Wie schön, dass ihr Partner
in solchen Belangen kein Klischee ausließ. Das machte ihn wenigstens in dieser Hinsicht
berechenbar.
»Einen Moment, bitte«, fiepste die
Blondine und hämmerte mit bunt verzierten Gel-Fingernägeln auf die Tastatur der
Telefonanlage ein. Bergmann schien fürs Erste genügend Silikon gesehen zu haben,
denn seine Aufmerksamkeit galt inzwischen dem gelben Lamborghini, der unweit des
Informationsschalters im gläsernen Schauraum präsentiert wurde.
»Herr Hausner lässt bitten … Dort hinten ist der Aufzug … erste Etage. Die Sekretärin holt
Sie dann oben ab und führt Sie zum Chef«, vermeldete die Empfangsdame, nachdem sie
aufgelegt hatte.
Die Brünette, die Sandra und Bergmann
wie angekündigt im Obergeschoss empfing, war um einiges graziler und jünger als
die Blondine am Empfang und entsprach rein
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