Steirerherz
Valentina Trimmel
zuletzt gesehen?«, nahm Bergmann die Befragung wieder auf.
»Das muss so zwei, drei Monate her
sein.«
»Na, was denn nun? Zwei oder drei
Monate?« Bergmann sah Hausner aus schmalen Augen an. Der Autohändler hielt seinem
Blick stand. »Sie glauben doch nicht, dass ich sie umgebracht habe? Ich bitte Sie
…«, polterte Hausner und setzte sein einstudiertes Lächeln wieder auf.
»Fakt ist, dass Sie für die Tatzeit
kein Alibi haben«, meinte Bergmann streng. »Also noch einmal: Wann genau haben Sie
Valentina Trimmel zuletzt gesehen?«, wiederholte er seine Frage um einige Nuancen
unwirscher und wischte damit das Lächeln ein weiteres Mal aus Hausners Gesicht.
Sandra fragte sich, ob es Bergmann
nun gelungen war, die Fassade des Mannes endgültig zum Bröckeln zu bringen. Von
Hausners oberflächlicher Freundlichkeit war jedenfalls nichts mehr zu bemerken.
Mit ernster Miene lockerte er seinen Krawattenknoten und stand auf, um einen der
weißen Jalousieschränke zu durchsuchen. Schließlich zog er eine Illustrierte hervor,
blätterte eine Weile darin und reichte sie Bergmann. »Da haben wir’s!« Hausner zeigte
auf eine Fotoserie. »Am 26. Juni hab ich die Valentina zum letzten Mal gesehen.
Sie war in Begleitung meines Sohnes bei mir zu Hause, als wir meinen Geburtstag
mit ein paar Freunden nachgefeiert haben. Genügt Ihnen das?«
Der Chefinspektor sah sich die Fotos
genau an und reichte das bunte Wochenmagazin dann an Sandra weiter. »Besaß Valentina
ein schwarzes Lederhalsband mit einem silbernen Herzanhänger?«, fragte Sandra, die
auf dem Foto kein solches Schmuckstück am Hals der jungen Frau erkennen konnte.
»Keine Ahnung. Sie hatte ziemlich
viel Schmuck. Mein Sohn ist sehr großzügig, müssen Sie wissen. Diese Eigenschaft
hat er von mir.«
Sandra schluckte. Es gab kein Geschenk
der Welt, das sie freiwillig von einem Mann wie Engelbert Hausner angenommen hätte.
»Sie haben doch nichts dagegen,
wenn wir das Heft behalten?«, fragte Bergmann.
»Bitte schön. Nehmen Sie es ruhig
mit. Die Chefredakteurin schickt mir sicher gern ein neues Exemplar.« Wieder blickte
Hausner auf seine Rolex. »War es das dann?«
»Ja, das war’s dann – fürs Erste«,
meinte Bergmann und erhob sich.
Sandra sprang von ihrem Stuhl hoch,
an dem sie wider Erwarten noch nicht festgefroren war. Die wenigen Minuten ohne
Klimaanlage hatten ihr Wohlbefinden nicht wesentlich steigern können. Sie fror noch
immer. »Wenn sich Ihr Sohn bei Ihnen meldet, richten Sie ihm doch bitte aus, dass
er uns unbedingt sofort kontaktieren soll. Hier ist meine Karte«, sagte sie und
verabschiedete sich von Hausner, ohne ihm ihre eiskalte Hand zu reichen. Was für
ein Kotzbrocken, dachte sie, als er sein Verkäuferlächeln wieder aufsetzte. Genauso
hatte sie sich ›Ferrari-Hausner‹ vorgestellt. Vielleicht nicht ganz so schlimm.
Aber war er auch gestört genug, um die Freundin seines Sohnes zu erdrosseln, zu
pfählen und sie als Vogelscheuche zur Schau zu stellen?
Sandra atmete erleichtert auf, als
sie endlich wieder hinaus auf den sonnigen Parkplatz traten. Sie konnte nur hoffen,
dass sie sich in diesem Eispalast keine Verkühlung eingefangen hatte.
Kapitel 2
1.
Samstag 27. und Sonntag 28. August
Am Wochenende begleitete Sandra ihre Freundin
Andrea – trotz heftigen Schnupfens, den sie sich in Hausners Büro geholt hatte –
auf die slowenische Halbinsel Piran. Nicht nur, weil sie den Samstag am Meer verbringen
und abends im gleichnamigen pittoresken Hafenstädtchen knusprig gegrillte Goldbrassen
zu Mangoldkartoffeln und einer Flasche Malvazija genießen konnte, sondern vor allem,
weil sie dort der medialen Konfrontation mit dem Mord an Valentina Trimmel in der
Heimat entkam. Auf diese angenehme Weise versuchte Sandra, ein wenig Abstand zum
aktuellen Fall zu gewinnen, bevor sie am Montag wieder in die Ermittlungsarbeit
eintauchen musste. Jedenfalls war das der Plan gewesen. Ihre Gedanken an die bestialisch
ermordete Bauerntochter ließen sich jedoch auch am Sonntag nicht ganz abschalten.
Insbesondere als sie auf der Rückfahrt die österreichischen Nachrichten im Radio
hörte, die von einem Ritualmord berichteten, obwohl noch lange nicht feststand,
dass es sich überhaupt um einen solchen handelte. Sandra schnäuzte sich zum gefühlten
tausendsten Mal an diesem Wochenende und hoffte, dass die Tat bei Weitem zu grausam
war, als dass diese Nachricht Nachahmungstäter auf den Plan rufen würde. Vielmehr
noch
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