Steirerherz
jederzeit befürchten, dass
der Täter wieder zuschlug.
Bergmann sah auf die Uhr. »Sag mal,
wo bleibt Miriam eigentlich?«, fragte er. »Sie wollte doch endlich diese Liste vervollständigen.«
»Das hab ich mich vorhin auch schon
gefragt und bei ihr angerufen. Aber sie ist nicht ans Telefon gegangen. Vielleicht
ist sie ja krank«, meinte Sandra.
»Wenn sie nicht im Sterben liegt,
sollte sie sich aber langsam mal bei uns melden«, sagte Bergmann.
»Weißt du was? Ich frag mal bei
ihrer Mutter nach. Vielleicht weiß die ja, was mit ihr los ist.« Für Sandra war
es ein Leichtes, die Nummer von Miriams Mutter herauszufinden. Wenig später hatte
sie Ursula Seifert am Telefon und stellte sich ihr vor. »Ja, genau. Ich bin die
Kollegin Ihrer Tochter«, bestätigte sie ihr. »Miriam hat sich doch gestern frei
genommen, weil Sie in Graz das Krankenhaus aufsuchen wollten …«, fuhr sie fort. »Ach, davon wissen
Sie gar nichts? … Sie sind völlig gesund, aha. Dann können Sie mir wahrscheinlich
auch nicht sagen, wo sich Ihre Tochter derzeit aufhält … Verstehe. Nein, bitte, machen
Sie sich keine Sorgen. Wenn Miriam im Krankenhaus wäre, hätte man Sie sicher schon
verständigt. Hat sie eigentlich einen Lebensgefährten oder einen festen Freund? … Momentan nicht, aha … Gestatten Sie mir bitte noch eine
Frage: Was arbeiten Sie und Ihr Mann eigentlich?« Sandra sah zu Bergmann hinüber,
der unbeirrt auf seinen Monitor starrte. Dass Männer ihre Aufmerksamkeit immer nur
auf eine Aufgabe konzentrierten, während Frauen mehrere Dinge gleichzeitig erledigen
konnten, war ein Klischee, das – wie die meisten – nur allzu oft zutraf. »Vielen
Dank, Frau Seifert. Bitte rufen Sie mich sofort an, wenn sich die Miriam bei Ihnen
meldet … Ja, ich
verständige Sie umgekehrt auch gleich. Auf Wiederhören.« Sandra legte auf und atmete
tief durch. »Sascha?«
»Hm?«
»Ich mache mir langsam Sorgen um
Miriam«, verkündete Sandra.
»Warum denn? Ist ihr was passiert?«
Bergmann blickte von seinem Monitor auf.
»Keine Ahnung. Aber wie ich Miriam
kenne, ist sie viel zu pflichtbewusst, als dass sie unentschuldigt blaumachen würde.
Auch wenn sie uns angelogen hat, was ihren gestrigen Urlaubstag betrifft …«
»Hat sie das?« Bergmann lehnte sich
zurück und verschränkte die Arme hinterm Kopf.
Sandra nickte. »Ihre Mutter war
gar nicht in Graz. Sie ist pumperlg’sund, und die Eltern haben eine Landwirtschaft.«
»Ach so?«
»Die Seiferts bauen Äpfel an. Miriam
ist 20 Jahre alt und ausgesprochen hübsch …«, überlegte Sandra laut.
Bergmann rückte nach vorn und stützte
die Ellenbogen auf der Tischplatte auf. »Willst du damit sagen, dass Miriam das
nächste Opfer sein könnte?«
»Warum nicht?«
»Aber sie ist doch keine Studentin.«
»Ich weiß. Und sie stammt aus der
Oststeiermark, nicht aus der Weststeiermark.«
»Na, siehst
du.«
»Christianes
Profil muss doch nicht unbedingt stimmen.«
»Und das aus
deinem Mund …« Bergmann fuhr sich über die unrasierten Wangen,
während er wie Sandra überlegte. »Die Frage ist doch: Warum hat uns Miriam angelogen?
Was hatte sie gestern wirklich vor? Das müssen wir zuallererst herausfinden«, meinte
er schließlich.
»Du hast recht … Ich hab da so eine Idee. Komm, lass uns fahren.« Sandra
stand auf.
»Wohin denn?«
»Erzähl ich dir im Auto.«
2.
Auf der Fahrt ins Fotostudio goss es – wie schon in den letzten beiden
Tagen immer wieder – in Strömen. Der ächzende Scheibenwischer gab sein Bestes, doch
das Wischerblatt gehörte endgültig ausgetauscht, notierte sich Sandra im Geiste.
»Also, wohin geht die Fahrt?«, wollte
Bergmann nun endlich wissen.
»Zu Charly Kramer.« Sandra berichtete
dem Chefinspektor von Miriams Jugendtraum, ein Model zu werden, und von Kramers
Angebot, Testaufnahmen von ihr zu machen.
»Unsere Miriam?«, fragte Bergmann
ungläubig.
»Sag bloß, dir ist noch nicht aufgefallen,
wie bildhübsch unsere Kollegin ist.«
»Ich bin ja nicht blind. Aber wann
hat sie dir das alles erzählt? Und warum dir?«
Sandra grinste, den Blick auf die
nasse Fahrbahn gerichtet. »Bist du jetzt sauer, dass sie es dir verschwiegen hat?
Vielleicht hat sie befürchtet, dass du noch mehr mit ihr anbandelst, wenn sie erst
einmal den Status eines Models genießt.«
»Ich hab mit Miriam doch niemals
angebandelt. Sie könnte locker meine Tochter sein«, protestierte Bergmann.
»Dann haben wir zwei deine Flirtversuche
wohl völlig falsch
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