Steirerherz
grauen Jogginganzug. Wieder
kam sie Sandra einige Nuancen blasser vor als bei ihrer letzten Begegnung. Auch
die Sommersprossen wirkten an diesem Tag noch etwas heller.
Die drei mussten sich erst an einer
Reihe von Umzugskartons vorbeizwängen, um in die Küche zu gelangen. »Bis Ende des
Monats muss die Wohnung geräumt sein«, erklärte Bella und bot ihnen Kaffee an.
»Schwarz bitte, mit Zucker«, meinte
Bergmann, während Sandra nach einem Glas Wasser fragte.
»Setzen Sie sich doch«, sagte Bella
und steckte die Kaffeekapsel in die Maschine.
»Sie müssen aus dieser Wohnung ausziehen?«
»Ja. Der Mietvertrag lief doch auf
die Pia. Da haben wir keine Chance. Der Eigentümer will die Wohnung renovieren und
danach die Miete erhöhen. Das können wir uns nicht leisten – der Volker und ich.«
»Wo ist Herr Neidhardt eigentlich?«,
erkundigte sich Sandra.
Bella brachte das Wasserglas und
die Espressotasse an den Küchentisch und setzte sich zu den beiden Kriminalpolizisten.
»Unten im Keller. Da hat sich ja auch so einiges angesammelt, was weg muss. Er hat
sich diese Woche extra frei genommen, um mit dem Ausmisten und Verpacken zu beginnen.«
»Aber Sie haben doch noch gute zwei
Wochen Zeit für die Räumung«, meinte Bergmann und versenkte einen Zuckerwürfel in
der Espressotasse.
»Sie glauben ja gar nicht, wie viel
Arbeit das alles ist. Bisher war ich nur damit beschäftigt, Pias Sachen in Kartons
zu packen. Ihre Eltern wollen spätestens am Wochenende nach dem Begräbnis alles
abholen. Zum Glück hat die Fachhochschule noch nicht begonnen.«
»Könnten Sie Herrn Neidhardt auf
dem Handy anrufen und ihn zu uns heraufbitten? Wir haben noch ein paar Fragen an
ihn«, sagte Sandra.
»Das würde ich ja gern tun. Aber
unten hat er keinen Handyempfang.«
»Ach so. Dann schauen wir einfach
kurz bei ihm rein«, sagte Sandra und erhob sich wieder. Bergmann legte den Löffel
beiseite und kippte seinen Espresso hinunter. Dann stand er ebenfalls auf.
»Dürfte ich noch Ihre Toilette benützen?«,
fragte Sandra.
»Sicher. Am Ende des Flurs. Schieben
Sie einfach die Kisten beiseite, die Ihnen im Weg sind«, meinte Bella Rauschenbach
und verabschiedete sich von ihnen.
Bergmann ging voraus und half Sandra,
sich den Weg durch den Flur zu bahnen.
»Welche Tür hat sie denn nun gemeint?«,
fragte Sandra nach.
Bergmann zuckte mit den Schultern.
»Eine von den beiden da. Was weiß ich?«
Sandra entschied sich für die rechte
Tür und erwischte prompt die falsche. Sie wollte sie gerade wieder schließen, als
ihr Blick auf das Poster an der Wand fiel.
»Falsche Tür«, meinte Bergmann,
als ob Sandra es nicht selbst bemerkt hätte.
»Sieh dir dieses Poster an …«
»Elias Gabo. Das Herzlederband …
Schon wieder … Wahrscheinlich nur ein Zufall.«
»Allmählich
sind mir das zu viele Zufälle …« Sandra schloss die eine Tür, um durch die
andere auf der Toilette zu verschwinden. Beide Opfer waren attraktive junge Frauen
gewesen, überlegte sie. Miriam auch. Beide waren Töchter von Landwirten, die ihren
Lebensmittelpunkt nach Graz verlegt hatten. Miriam auch. Beide Opfer hatten Volker
Neidhardt gekannt. Miriam auch. Wenn Sandra recht hatte, konnte der blaue Transporter,
dessen abgefahrene Reifen sie vorhin auf Charly Kramers Parkplatz überprüft hatte,
das Fahrzeug sein, mit dem der Mörder sein erstes Opfer in die Weststeiermark gebracht
hatte, ehe er sich anschließend damit auf Motivsuche begeben hatte.
War ein Herztransplantierter
überhaupt in der körperlichen Verfassung, solche Taten zu begehen?, überlegte Sandra
weiter. Warum nicht? Ein fremdes Herz … Die Herzanhänger,
die er verschenkte … Mein Gott! Warum war sie nicht schon viel früher
darauf gekommen?
»Sascha, fordere
Verstärkung an«, raunte sie Bergmann beim Verlassen der Toilette zu. »Er ist es …«
»Wer ist was?«
»Volker Neidhardt ist unser Täter.
Und wenn ich recht habe, hält er Miriam unten in seinem Keller fest. Falls sie überhaupt
noch lebt …«
»Du meinst …?« Bergmann überlegte.
»Los! Wir sollten uns beeilen.«
Noch einmal kehrte Sandra in die Küche zurück und fragte Isabella Rauschenbach nach
Schlüsseln für den Keller, während Bergmann im Flur mit Lubensky telefonierte. Bella
besaß keine Kellerschlüssel und riet Sandra, beim Hausmeister im ersten Stock nachzufragen.
Der hätte am ehesten welche.
Sie solle die Wohnung vorerst nicht
verlassen, bis ihr ein Polizeibeamter Entwarnung geben würde, riet Sandra der
Weitere Kostenlose Bücher