Steirerherz
die Handschellen anlegen und abführen, ohne auch nur ein Wort
zu sagen. Ein anderer Polizist drehte die Musik ab. Bergmann übernahm die Kamera,
während sich Sandra Miriam widmete, die ihr die zittrigen Arme entgegenstreckte.
Das professionelle Make-up konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie in den
vergangenen Stunden einiges durchlitten haben musste. »Danke!«, wiederholte sie
wieder und immer wieder, während Sandra das breite, schwarze Klebeband, das ihre
Hände aneinanderfesselte, löste. Danach nahm sie ihr das Lederhalsband mit dem Silberherzen
ab, um es sicherzustellen. Wenig überraschend, baumelte ein M daran.
Miriam fiel Sandra um den Hals.
Erneut bedankte sie sich, dass sie sie hier aufgespürt hatten. »Er wollte mich töten
wie Valentina und Pia«, schluchzte sie. »Ich hätte wie die beiden seinem Spender
geopfert werden sollen.«
»Du meinst, der Mann, der ihm das
Herz gespendet hat, verlangt nach Menschenopfern?«, fragte Sandra nach.
Miriam nickte und wischte sich die
Tränen ab.
»Schwerwiegender Bruch der Realität«,
kommentierte Sandra ihre Aussage. »Hat er dir näher erläutert, warum er das getan
hat?«
»Er ist überzeugt davon, dass sein
Spender ein verurteilter Frauenmörder war und dass er seine Mission fortsetzen muss,
um sein Herz am Schlagen zu halten«, berichtete Miriam.
»Er kann doch aber unmöglich wissen,
von wem das Organ in seiner Brust stammt. So eine Transplantation läuft doch völlig
anonym über die Eurotransplant-Zentrale in Holland ab«, wusste Sandra seit ihrer
ersten Begegnung mit Volker. »Und warum tötet er erst jetzt? Sechs Jahre nach der
HTX?«, fragte sie sich laut.
»Das habe ich ihn auch gefragt«,
entgegnete Miriam. »Er ist erst vor Kurzem im Internet auf einen Presseartikel von
damals gestoßen, hat er mir erzählt. Dieser Frauenmörder wurde bei einem Fluchtversuch
aus der JVA Karlau erschossen. Und Volker hat unmittelbar danach das Spenderorgan
erhalten, auf das er so lange gewartet hat.«
»Das muss doch aber noch nichts
bedeuten.«
»Angeblich hatte der Spender dieselbe
seltene Blutgruppe wie er: AB minus und noch irgendwas. Deshalb war er sich ganz
sicher.«
»Seht euch das einmal an.« Bergmann
kam mit einem Laptop auf die beiden Frauen zu.
»Diese Fotos sind ebenfalls Teil
seiner kranken Visionen …«, meinte Miriam und wandte sich ab. »Das hätte ein ganz
spezieller Jungbäuerinnenkalender werden sollen. Die Valentina war für den August,
die Pia für den September vorgesehen. Mir hat er den Oktober zugeteilt«, erklärte
sie.
Sandra betrachtete die schaurige
Diashow, die Bergmann am Laptop gestartet hatte. Die tote Valentina Trimmel wachte
als Vogelscheuche in der aufgehenden Sonne über die Felder ihres Vaters. Pia Fürnpass
zierte, als Weinkönigin zurechtgemacht, den Weingarten ihrer Familie, während die
ersten Sonnenstrahlen ihre langen Beine küssten. »Deshalb hat er die Leichen so
kunstvoll inszeniert«, sagte Sandra. Im Gegensatz zu den Polizeifotos konnte man
diesen Bildern eine gewisse – wenn auch grausame – Ästhetik nicht absprechen. Dennoch
bereiteten sie Sandra Übelkeit. Warum ihr Magen in letzter Zeit derart empfindlich
auf den Anblick von Leichen reagierte, war ihr ein Rätsel. Vielleicht sollte sie
doch einmal einen Arzt aufsuchen und sich durchchecken lassen, überlegte sie.
»Wieso hat er dich hier festgehalten
– im Gegensatz zu Pia Fürnpass, die er doch gleich getötet hat?«, fragte Bergmann.
»Er hat auf besseres Wetter gewartet.
Genau wie bei der Valentina. In der Zwischenzeit hat er schon mal ein paar Probeaufnahmen
von mir gemacht, damit er weiß, wie ich am besten auf Fotos rüberkomme.«
»Richtig! Als Valentina Trimmel
verschwunden ist, hat es auch geregnet«, fiel Sandra ein. Auf diese gleichermaßen
einfache wie naheliegende Erklärung waren sie bisher nicht gekommen.
Miriam nickte. »Er wollte diese
besondere Lichtstimmung festhalten, die es nur am frühen Morgen an einem schönen
Tag gibt«, erzählte sie weiter.
»Und wer hat dich so geschminkt?«
»Das war er.«
»Ein wahres Multitalent«, meinte
Bergmann verächtlich und beendete das Programm.
»Und die Schuhe der Opfer? Wo sind
die?«
»Wie wir vermutet haben, behält
er sie als Trophäen. Dort hinten in dem Kasten. Zumindest hat er meine da hineingetan.«
Miriam deutete zu einem der Schränke.
»Und Valentinas Handtasche und ihr
Handy?«, fragte Bergmann.
»Hat er in die Mur geworfen.«
»Sag mal, du hast Volker
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