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Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me

Titel: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Gutkin
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in Thüringen besuchen durfte. Kinder, deren Angehörige sich in bombengefährdeten Gebieten aufhielten, durften nicht zu einem Besuch nach Hause reisen.
    Die Zugfahrt brauchte ich nicht zu bezahlen. Die Uniform eines Pimpfes, die ich trug, war so etwas wie eine Freifahrkarte. Mit meinem kleinen Köfferchen machte ich mich als nun zwölfjähriger Junge auf den Weg nach Sonnenberg.
    In Meiningen stieg ich aus. Dort trat ich, wie so oft zu Fuß, den zwölf Kilometer langen Weg bis zu dem Ort an, in dem meine Familie untergebracht war. Das Wiedersehen mit meiner Familie war herzlich und fröhlich. Es flossen reichlich Freudentränen.
    In den Dörfern auf dem Lande fungierte ein sogenannter Ortsbauernführer, der beraten und helfen sollte. Einige jedoch kontrollierten und schikanierten gerne.
    Der Ortsbauernführer hörte von meiner Ankunft und führte ein Gespräch mit dem Bauern, bei dem wir untergekommen waren. Dieser richtete mir dann aus: „Du hast zwar Ferien im Erzgebirge, doch hier in Thüringen haben die Ferien noch nicht begonnen. Also musst du zur Schule gehen.“
    Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen, als ich frage: „Und wo ist die Schule? Ich bin in der Mittelschule.“
    Er antwortete kurz: „In Suhl.“
    Mir war nicht wohl bei dem Gedanken, schon wieder in eine neue Klasse zu kommen und schon wieder andere Kinder kennenzulernen, für die ich nur das Bombenkind war.
    So musste ich also morgens gegen fünf Uhr aufstehen, um von dem kleinen Ort aus die zwölf Kilometer bis nach Meiningen zu laufen. So früh fuhr noch kein Bus.
    Von Meiningen aus waren es noch mal dreißig Kilometer bis nach Suhl, die ich mit dem Zug gefahren bin. Kurz vor Schulbeginn, um acht Uhr, war ich im Ort.
    Meine Befürchtungen bestätigten sich. Vom ersten Schultag an war ich für die anderen Kinder, die ich wegen des Thüringer Dialektes auch noch schlecht verstand, das Bombenkind aus der Großstadt. Als Streber wurde ich gehänselt, weil ich vor Schulbeginn schon in das Klassenzimmer gegangen bin, um den Spott auf dem Schulhof so wenig wie möglich ertragen zu müssen.
    Meine Mutter schrieb meinem Vater, dass ich auch in Thüringen sei. Daraufhin machte er sich auf den Weg, um uns zu besuchen.
    Kaum angekommen, wurde er als Mann, der gerade aus einer Großstadt kommt, vom Ortsbauernführer in eine kleine Gaststube eingeladen. Unter anderem waren auch Männer von der NSDAP in ihrer braunen Uniform anwesend.
    Mein Vater wurde ausgefragt, wie die Zustände so in Düsseldorf sind, besonders nach einem Bombenangriff.
    Mein Vater berichtete, dass zum Beispiel nach jedem Bombenangriff das Deutsche Rote Kreuz Butterbrote verteilte, dass die Frauen Kaffee bekommen und dass man sich gegenseitig hilft, so gut es geht.
    Mein Vater hat auch erzählt, dass einmal, drei Tage nach einem Bombenangriff, der Reichspropagandaminister Göbbels in die Stadt gekommen ist. Und dass er während seiner Ausfahrt durch Düsseldorf, in einem schicken, offenen Mercedes-Automobil, von einem Teil der Bevölkerung mit rohen Eiern beworfen wurde.
    Am anderen Morgen meinte mein Vater zu mir: „Ich glaube, ich habe irgendwas falsch gemacht.“
    Irritiert fragte ich: „Was meinst du?“
    Beschwichtigend winkte er ab: „Ach, lass mal. Wird schon nicht so schlimm gewesen sein.“
    Kurz danach fuhr mein Vater wieder nach Hause und ich zurück zum Erzgebirge.
    Einige Tage später erfuhr ich, was meinem Vater widerfahren war: Er durchquerte den Bahnhof in Meiningen, um in den Zug zu steigen. Mitten im Bahnhof wurde er wegen Verleumdung verhaftet und nach Eisenach in ein Zuchthaus gebracht.
    Verleumdung heißt, dass jemand über eine Person ehrverletzende Behauptungen aufstellt, obwohl er weiß, dass sie unwahr sind. Dabei hat mein Vater die Wahrheit erzählt, als er schilderte, dass Goebbels mit Eier beworfen wurde.
    Und ein Zuchthaus war ein Gefängnis mit schärferen Haftbedingungen für die Gefangenen. Die Häftlinge mussten harte körperliche Arbeit bis zur Erschöpfung verrichten.
    Meine Mutter ist mit meinen jüngeren Geschwistern fast jeden Tag mit dem Bus nach Eisenach gefahren. Mit der Zeit kannten sie das Fenster, hinter dem mein Vater gesessen hat und so konnten sie sich wenigstens zuwinken.
    Ende 1944 ist mein Vater entlassen worden. Er war körperlich sehr geschwächt, als er nach Hause kam. Er hat nie mit mir über seinen Aufenthalt im Zuchthaus gesprochen.

Sportfeste
    Verschiedene Sportfeste wurden von den Lagern, die sich in und um Seiffen herum

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