Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Mein Vater erzählt - Gutkin, P: Stell Dir vor Du bist Kind - und es ist Krieg Me
hat mir hinten den Schulterriemen gelöst.“
Der Fähnleinführer trat vor mich und fragte streng: „Hast du den Schulterriemen gelöst?“
„Ja“, sagte ich kleinlaut. „Entschuldigung, ich weiß auch nicht, was in mich gefahren war.“
Er drohte mir mit unangenehm ruhiger Stimme: „Du hörst noch von mir.“
Dann schrie er an alle: „Ein Lied!“
Es wurde schnell nach hinten durchgegeben, was gesungen werden sollte und wir marschierten los. Dabei sang die ganze Schar laut ein frohes Lied.
Als wir nach ungefähr zwei Stunden von unserem Marsch zurückkamen, bekam ich die Order, mich ein paar Tage später wieder auf dem Höherweg zu melden, um meine Strafe zu erfahren.
Ich fand mich also pünktlich dort ein und erfuhr, dass ich fünfzig Kniebeugen mit einer umgehängten Trommel machen sollte. Dafür musste ich mich einige Tage später beim Fähnleinführer Kirsch, auf der Mintropstraße zehn, melden.
Am besagten Tag stand ich mit zwei weiteren Bösewichten beim Fähnleinführer vor der Tür. Er holte uns in seinen Keller, in dem er sich eine Art Büro eingerichtet hatte. Nacheinander musste sich jeder eine Trommel umhängen und fünfzig Kniebeugen machen. Zum Glück durfte ich zwischendurch eine Pause einlegen.
Nachdem die ersten Bomben auf Düsseldorf gefallen sind, war das Antreten als Pimpf nicht mehr Pflicht. Lebensmittelkarten wurden trotzdem an unsere Familien ausgegeben.
Flakessen gemopst
In Düsseldorf standen sogenannte Flaktürme verteilt, auf denen Fliegerabwehrkanonen, kurz Flak genannt, zum Einsatz kamen. Die Flaktürme waren ungefähr dreißig Meter hoch. Ringsum, knapp unter dem flachen Dach, war ein Fangnetz angebracht, das die Munitionshülsen auffangen sollte, damit sie nicht auf die Straße fielen. Auf dem Dach waren Vierlingsgeschütze montiert.
© Bundesarchiv - Bild 101I-635-4000-24 - Fotograf Walther
Mittags wurde den Flaksoldaten, die im Turm auch ihre Zimmer hatten, in großen Kübeln eine warme Mahlzeit mit einem großen Wagen gebracht. Wenn wir rechtzeitig Schule aus hatten, sind wir zum nächstgelegenen Flakturm gelaufen. Der stand in der Nähe des Bahnhofs, auf der Bandelstraße (heute Vulkanstraße). Dort haben wir uns hinter einer Ecke der Dreieckstraße versteckt. Wir setzten uns auf den Bordstein und warteten. Und zwar auf den Wagen, der das Essen für die Flaksoldaten bringen würde.
Als der Fahrer die Kübel mit dem Essen vor dem Turm abgestellt hatte, ist er zügig weitergefahren, um noch andere Flaksoldaten zu versorgen.
Das war unsere Gelegenheit. Rasch sind wir zu den Kübeln gelaufen und haben uns so viel Essen dort rausgenommen, wie wir greifen konnten.
Die Flaksoldaten schrien von oben: „Bleibt ihr wohl davon. Das ist unser Essen. Verschwindet!“
Doch wir haben jedes Mal etwas zu Essen erwischt, wenn wir es darauf abgesehen hatten. Bis die endlich mal unten waren, um die Kübel an einen Flaschenzug zu hängen und hochzuziehen, hatten wir schon längst etwas daraus gemopst und das Weite gesucht.
Die meist jungen Flaksoldaten wurden fast alle während der Luftangriffe von den Piloten der Begleitjäger, die zum Schutz der großen Bombengeschwader mitgeflogen sind, erschossen.
Kinderlandverschickung nach Kitzingen
Kurz vor den Sommerferien 1942, ich war zehn Jahre alt, besuchte eine Delegation der NSDAP die Knaben-Mittelschule an der Luisenstraße. Wir wurden gefragt, wer in eine sogenannte Familienpflegestelle weit weg von der Großstadt Düsseldorf möchte. Ein Mann von der Partei erklärte uns, dass dort keine Bomben fallen und es für uns genug zu essen gibt. Auch könne man nachts durchschlafen, ohne einen Fliegeralarm zu erleben.
Da ich ständig Hunger hatte und große Angst vor den Bombenangriffen, war ich heilfroh, dass sich eine solche Möglichkeit bot, aus der Stadt wegzukommen. Oft genug hatte ich erlebt, welche Zerstörungskraft in den Bomben steckte und wie viele Menschen bei den Luftangriffen ihr Leben verloren haben.
Mehr als die Hälfte meiner Klassenkameraden hat sich gemeldet, um in ein nichtbombengefährdetes Gebiet gebracht zu werden.
Kurze Zeit später besuchte eine Frau im Auftrag der Partei meine Eltern zu Hause. Sie informierte sie darüber, dass ich nach Main/Franken reisen könnte und bat um ein Einverständnis. Die Frau schlug vor, dass mich mein jüngerer Bruder Karl begleiten sollte. Meine Eltern willigten unter der Bedingung ein, dass mein Bruder und ich zusammen reisen und wir in der gleichen Pflegefamilie
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