Stella Blomkvist
gedroht?
Vielleicht.
Und dann war da noch die
Pager-Geschichte, wie Halla sie nannte. Das war wirklich eine merkwürdige
Sache. Halla war immer mit ihrem Pager unterwegs. Eines Tages bekam sie eine
Nachricht, die sie nicht verstand. Rief trotzdem beim Absender an. Ein Mann
antwortete. Sagte ihr, dass sie ihr »Paket« am zentralen Busbahnhof abholen
könne. Der Abholzettel, den sie benutzen sollte, war bereits durch den
Briefschlitz am roten Haus geschoben worden.
Legte dann auf.
Am nächsten Tag fuhr sie zum
Busbahnhof, um das Paket abzuholen. Aus irgendeinem Grund zögerte sie, als sie
die Wartehalle betrat. Fand die ganze Sache ziemlich merkwürdig. Suchte sich
erst mal einen Platz wie ein Fahrgast, der auf die Abfahrt seines Busses
wartet. Beobachtete die Paketausgabe. Überzeugte sich davon, dass es dort
mehrere Mitarbeiter gab. Aber sie hatte den Verdacht, dass man sie in eine
Falle locken wollte. Deshalb verließ sie die Wartehalle wieder, ohne das Paket
abgeholt zu haben.
Lilja Rós war an diesen Tagen in der
Stadt. Sie bot sich sofort an, das Paket abzuholen. Halla widerstrebte das.
Fand es gefährlich. Vermutlich versuchte Porno-Valdi, sich an ihr zu rächen.
Trotzdem stimmte sie letzten Endes zu.
Nachmittags fuhr Lilja Rós alleine
zum Busbahnhof. Als Halla nach Hause kam und sie zu Abend gegessen hatten, öffneten sie zusammen das
Paket in der Küche. In ihm befand sich nur ein Kochbuch. Nichts anderes. Keine
Nachricht. Keine Erklärungen.
Vielleicht sollte ihr das nur einen
Schrecken einjagen? Wollte Porno-Valdi seine Muskeln spielen lassen? Ich
verstand die Geschichte ebenso wenig wie Halla.
Ich gehe wieder hoch in die obere
Etage, setze mich ans Bett und tippe Lilja Rós an. »Es ist schon Mittag«, sage
ich. Als sie ein paar grunzende Laute von sich gibt, füge ich hinzu: »Es ist
ganz tolles Wetter!«
Sie reckt sich genüsslich, setzt
sich dann auf und lässt die Beine aus dem Bett hängen. »Hast du schon geduscht?«
Ich
schüttele den Kopf.
»Dann
komm.«
Am Nachmittag will sie mir unbedingt zeigen, wo
sie als Teenager auf dem Land gewohnt hat. Bei Halla.
Der Weg, der zum Haus führt, ist
schlecht erhalten. Hier und da liegen mitten auf dem schmalen Lehmweg große
Steine. An anderen Stellen haben sich tiefe Schlaglöcher gebildet, wo die Erde
weggespült wurde.
Lilja Rós fährt im Schneckentempo
auf den Hof zu.
Das alte Wohnhaus ist verwittert. Die
Wände geben nach. Die Farbe blättert großflächig ab. Die Eingangstür hängt
nicht mehr in den Angeln.
Auf dem Vorplatz steigen wir aus dem
Auto und gehen ins Haus. Hier ist alles verwahrlost und von Pferden und
Schafen vollgeschissen.
Lilja Rós geht voran. Zeigt mir das
Zimmer, in dem sie und Halla zusammen während der
Sommerferien geschlafen haben. Es ist klein und leer.
Traurigkeit liegt drückend wie ein
Albtraum über diesem halb verfallenen Haus. Hier hatten Menschen geschuftet
und gelitten. Geliebt und gestritten. Vor langer, langer Zeit. Wozu?
Ich mache, dass ich rauskomme. Lilja
Rós folgt mir kurz darauf mit Tränen in den Augen. Ich gucke automatisch weg,
während sie ihre Fassung wiedergewinnt. Ich schaue über die kleine Heuwiese,
die jahrelang außer Tieren auf Futtersuche niemand genutzt hat.
Das ist ein verlassener Ort.
Verlassen von Menschen. Und von Gott. Wenn er sich denn überhaupt mal irgendwann
so weit in den Norden gewagt hat.
Ich habe in meiner Geschichte auch
einen Platz, den ich verlassen habe. Das alte Hotel an der Ringstraße in den
Ostfjorden, wo ich aufgewachsen bin. Zuerst habe ich bei Mama und Papa gewohnt.
Dann nur noch bei Papa, nachdem Mama weggegangen ist. Ich bin dort seit Jahren,
seit ich angefangen habe, in der Stadt zu studieren, nicht mehr
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