Stella Cadente - Niemals darf es sein
kam.
Schließlich setzte sich Lili zu Ma tteo an den Tisch, an dem auch er mittlerweile wieder Platz genommen hatte. Sie hätte viel lieber wie ein panisches, verschrecktes Huhn die Küche verlassen, doch noch offensichtlicher konnte sie ihr Unbehagen nicht zur Schau stellen.
» Ich würde gerne, sofern du nichts dagegen hast, heute Nachmittag deine Zeit beanspruchen. Es gibt da etwas, was ich dir zeigen möchte«, meinte Matteo schließlich, nachdem er sie einige Zeit gedankenvoll betrachtet hatte.
Lili wollte ablehnen, flüchten, sich nicht ihren G efühlen stellen, doch das konnte sie nicht. Sie war aus einem wichtigen Grund hier, und den durfte sie niemals aus den Augen verlieren. Zeit mit Matteo zu verbringen, bedeutete gleichzeitig die Gelegenheit, mehr über Paolo Vincelli zu erfahren. Und aus diesem Grund nickte Lili schließlich zustimmend, während sie einen weiteren Schluck aus ihrem Kaffeebecher nahm.
B evor Matteo Lili an den Ort führte, den er ihr unbedingt zeigen wollte, machten sie noch einen Abstecher zum Caffè Farfalla di Mare. Er wollte dort nur kurz nach dem Rechten sehen. Während er im Café verschwand, setzte sich Lili an einen der Tische an der belebten Piazza San Marco und hielt ihr Gesicht in die Sonne. Noch war es nicht zu heiß, erst gegen Mittag würde die Sonne in ihrer ganzen Pracht mit den verliebten Paaren der Stadt um die Wette strahlen. Für einen kurzen Moment fühlte sich Lili ungewöhnlich entspannt und schloss die Augen unter der Sonnenbrille. Und so bemerkte sie nicht, dass sich ihr jemand näherte.
» Wer bist du?«, fragte plötzlich eine Frau vor ihr. Ihre Stimme klang streitsüchtig und besaß einen starken italienischen Akzent.
Erschrocken öffnete Lili ihre Augen und musste trotz Brille blinzeln. »Entschuldigung?«
» Ich will wissen, wer du bist!«, wiederholte die Frau. Erst jetzt erkannte Lili die schöne braungelockte Kellnerin aus Matteos Café. Mit verschränkten Armen stand sie vor ihr und schaute mit einer Mischung aus Misstrauen und Unsicherheit auf Lili herab. Lili bemerkte, dass sie aus der Nähe noch viel schöner war als aus der Entfernung.
» Und wer sind Sie?«, fragte Lili nun ihrerseits.
Die Kellnerin schnaubte. »Matteo ist mein Mann, da möchte ich wissen, mit wem er sich trifft.«
Lili erstarrte. Entsetzen breitete sich in ihrem Kö rper aus, und ein ängstlicher Schmerz eroberte ihre Brust.
» Sie sind verheiratet?«, zwang sie sich zu fragen und verfluchte sich dafür. Sie hatte keinen Grund, so schockiert zu sein! Er war ihr Bruder, ihr Halb bruder – höchstwahrscheinlich zumindest. Sie hatte also kein Recht , schockiert zu sein.
Abgesehen davon, dass sie mit einem verheirateten Mann geschlafen hatte.
Doch zu ihrer grenzenlosen Erleichterung schüttelte die Kellnerin den Kopf. »Nein, wir sind nicht verheiratet. Lui è il mio amante! So, wer bist du?«
Lili verstand nicht, was die Frau sagte, dafür reic hten ihre Italienischkenntnisse nicht aus. Doch das Nein hatte gereicht, um sie wieder etwas zu beruhigen.
» Mein Name ist Lili. Ich … ich bin nur … ich bin niemand. Wirklich. Keine Sorge, er gehört dir.«
» Bene .« Die Kellnerin drehte sich um und wollte gehen. Lili nahm interessiert ihre Sonnenbrille ab.
» Warte! Wie ist dein Name?«
Die Kellnerin blieb zögerlich stehen und drehte sich um. »Ilaria.«
» Warum siehst du so traurig aus, Ilaria?«
Zuerst blickte Ilaria sie irritiert, aber auch übe rrascht an. Sie antwortete nicht sofort, doch als sie zu sprechen begann, sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus. » Sono triste perché Matteo ha spezzato il cuore! Non vuole saperne del mio amore. Non capisce che apparteniamo l’uno all’altra. Porca puttana! Che idiota! «
Lili blinzelte. »Wie bitte?«
» Nichts. Alles ist gut. Du hast Glück! Addio !«, rief Ilaria, dann ging sie ohne ein weiteres Wort davon. Gedankenverloren sah Lili ihr hinterher. Sie hatte kaum ein Wort von dem verstanden, was sie ihr mitteilen wollte. Doch die Art, wie Ilaria gesprochen hatte, das traurige Schimmern in ihren Augen und der eifersüchtige Blick, ließen Lili wissen, dass Ilaria Matteo liebte.
Z unächst führte Matteo Lili zum Palazzo Pitti , der ihr nicht besonders gefiel. Auf einer leichten Anhöhe stand der gigantische Renaissance Palast, bewacht von zwei steinernen Schildkröten, wie ein grob behauener Steinquader. Er mutete an wie eine unzerstörbare Festung, was ihr bei Palästen der Medicis schon häufiger
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