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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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nicht.«
    »Menschenskind, du begreifst es einfach nicht.« Er legte seine Hand auf meine Schulter. »Komm, wo ich schon mal hier bin, lass uns die anderen Bilder anschauen. Der Immendorff, da hinten an der Wand, starkes Bild!«
    Ich schüttelte seine Hand ab und wandte mich zum Ausgang.
    Ein unappetitlicher Typ, aalglatt, aber gerade von unangenehmen Zeitgenossen konnte man etwas lernen.
    Nieselregen empfing mich draußen. Er störte mich nicht, was ich brauchte, war ein Spaziergang. Also stiefelte ich an den renovierten Backsteinbauten entlang, blickte auf das Wasser der erst kürzlich angelegten Grachten und ließ mir Harrys Worte durch den Kopf gehen.
    47.
    »Sie haben Recht, Herr Mogge«, sagte Kelian. »Wir sollten die Sache abblasen. Die schrecklichen Ereignisse, wie wir sie derzeit erleben, könnten Menschen zu Nachahmungen
    verleiten. Das Phänomen des Trittbrettfahrens ist ja hinlänglich bekannt; selbst an und für sich harmlose Naturen, zu denen ich Irene Gorgas immer noch zähle, sind nicht vor der Versuchung gefeit, sich einer solchen Tat als Vorlage zu bedienen. Mit anderen Worten, die doch bislang eher einfältigen
    Belästigungen meiner Verehrerin könnten, bei weiterem Druck, zu Frustrationen und infolgedessen zu
    Gewaltausbrüchen führen. Ähnliches haben Sie selbst ja schon vor einiger Zeit erklärt. Ich weiß, ich weiß, wir Psychologen sehen ja manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht und Sie, ein einfacher… Pardon! – Nein, nein, das nicht, aber eben doch eher ein Mann des Zupackens, der praktischen Hilfe, also, Sie hatten diesen Knackpunkt ja sehr schnell erkannt.«
    Von wegen Trittbrettfahrer, mein lieber Gregor Kelian, oder sollte ich besser Tristan sagen, hier ging es um das Phänomen des Schwafelns, der Karrieregeilheit und des Abkassierens.
    Und womöglich ging es hier auch bald um das Phänomen des langen Einsitzens in einer Justizvollzugsanstalt. Wenn die Polizei nicht allzu blöd, sein Verteidiger nicht allzu gerissen und der Richter nicht auf einem Auge blind war. Drei Mal wenn, denn sicher war ich mir da nicht; doch rechnen musste ich damit, dass mein Klient demnächst im Kittchen würde moderieren müssen, mittels Klopfzeichen an den Sanitärrohren und durch das Schwingen mit Papierkügelchen von einem vergitterten Fenster zum anderen. Und wenn das tatsächlich eintraf, dann wollte ich auf keinen Fall mit einer offenen Rechnung dastehen.
    Zwei Morde, nichts geklärt, aber Auftrag erledigt.
    Na schön, dachte ich, ging in den Nebenraum, setzte mich dort an einen Tisch gegenüber einer Volontärin, die über Kopfhörer Bänder abhörte, und schrieb meine Rechnung. Und weil ich solch einen Groll verspürte, wurde es eine Kostenaufstellung mit allem Pipapo, mit Nachtzuschlag, Gefahrenzulage und allem, was mir sonst noch einfiel; selbst die Pralinen von Heinemann und das Schmerzensgeld für Cetin knallte ich mit auf die Endabrechnung. Zuletzt fügte ich noch die Rubrik Erfolgshonorar, wie vereinbart hinzu, was den Betrag verdoppelte.
    Mit der Rechnung in der Hand kehrte ich zurück in Kelians Zimmer. Er warf einen Blick auf die Endsumme, zuckte zusammen, um dann, als er meinen entschlossenen
    Gesichtsausdruck bemerkte, ergeben zu nicken und einen Scheck auszustellen.
    »Sie haben mir sehr geholfen, Herr Mogge, ich werde Sie weiterempfehlen.«
    »Anruf genügt.«
    Ende einer Geschäftsbeziehung.
    48.
    Als ich den Sender verließ, stand eine prächtige Herbstsonne am Himmel; sie schien auf gute und böse Menschen und auf all diejenigen, die von beidem etwas hatten; ihre Strahlen fielen auf die Kohleninsel und die Schrottinsel im Ruhrorter Hafenbecken, auf die kleine Stahlinsel, die größere Ölinsel und auf die fast unnatürlich grünen Uferböschungen. Das Zifferblatt meiner Armbanduhr zeigte zehn nach zwei, wenn ich mich beeilte, konnte ich vor Schalterschluss den Scheck bei meiner Bank einlösen.
    Die Sachbearbeiterin begrüßte mich geradezu
    überschwänglich und eigenhändig füllte sie, was heutzutage wirklich etwas hieß, den Vordruck Einreichung von Schecks aus.
    In Duissern, wo der Wochenmarkt am Nachmittag abgehalten wurde, kaufte ich einen Strauß Blumen für Paula. Zum Glück war mir rechtzeitig eingefallen, dass am Abend im Tanz-Studio La Movida die Einweihungsfeier stattfinden sollte. Bis dahin hatte ich noch ein paar Stunden Zeit.
    Nichts Bestimmtes tun, weder Musik hören noch ein Buch lesen, einfach nur herumtrödeln, das gehörte zu meinen

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