Sten 6 - Morituri-Die Todgeweihten
Holz beheizt wurde. Er würde sich später um ihn kümmern. Zunächst einmal war er froh und dankbar, seinen Arbeitsplatz überhaupt gefunden zu haben.
Selbstverständlich sah es aus wie im Schweinestall, doch wenigstens erhielt er aufgrund der
Arbeitszeiten und der Privilegien eines Kochs ein eigenes Schlafquartier.
Die Pritsche - falls die durchgelegene Matratze an der Wand diesen Namen verdiente - war mit Sicherheitsgurten versehen. Raschid beschloß ernsthaft, wenn auch völlig irrational, sich beim Start festzuschnallen. Auf diese Art bestand wenigstens die Aussicht, daß für das Begräbnis auf dem Armenfriedhof ein erkennbarer Leichnam übrigblieb, falls sich die Santana schon beim Start in sämtliche Bestandteile zerlegte, was gar nicht so unwahrscheinlich erschien.
Raschid dachte gequält daran, daß er genau dem von Pattipong vorausgesagten Abenteuer
entgegentrat. Nun blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten, daß das Schiff mit Ziel Yongjukl abhob.
Raumschiffe rasten nicht fauchend und
kreischend ins All hinaus, außer vielleicht in Dokumentarfilmen aus der Steinzeit oder in peinlich amateurhaften Livies. Die Santana brachte jedoch genau dieses Kunststück fertig -
oder
anthropomorphisierte Rashid nur? Er selbst stand jedenfalls kurz davor, laut zu schreien. Die McLean-Generatoren sagten ihm, daß "unten" in ungefähr einem halben Dutzend Richtungen lag, bevor der Yukawa-Antrieb ansprang. Die Brücke hielt die Santana auf Yukawa, bis sie die Atmosphäre verlassen hatte. Eine schreckliche
Energieverschwendung, doch wahrscheinlich war jeder Versuch, dieses Ungetüm innerhalb der Atmosphäre auf AM2 umzuschalten, eine Einladung zur Selbstzerstörung.
Ein Com summte.
"He, Köchlein, genug gepennt. Offiziersmesse, in einer Stunde. Mannschaft im Anschluß."
Raschid ging in die Kombüse zurück, wo er von Moran erwartet wurde. Raschid fiel auf, daß der Maat eine Pistole am Gürtel trug. Moran führte Raschid zu einem Lagerraum, sperrte ihn auf und befahl ihm, alles, was er brauchte, mitzunehmen.
"Für wie viele Leute koche ich eigentlich?"
"Von diesen Vorräten hier - für mich, den Skipper und den Ersten Ingenieur. Die Vorräte für die Mannschaft sind auf der anderen Seite der Kombüse. Von denen mußt du zwölf Mäuler
stopfen."
Raschid staunte nicht übermäßig, als er sah, daß die Vorräte in dem verschlossenen Raum nicht unbedingt mit denen in der Speisekammer der Mannschaft übereinstimmten. Die Rationen der Offiziere entsprachen dem allgemeinen Standard für Raumschiffe, doch die Nahrungsmittel für die Mannschaft sahen eher aus wie schon seit ewigen Zeiten gelagerte Armeekonserven - von einer Armee, die sich bei diesem Fraß schon vor vielen Generationen in die Vergessenheit gemeutert hätte.
Genau. Meuterei.
Raschid versuchte aus dem, was er hatte, Menüs zusammenzustellen. Er spürte deutlich, daß er die Fähigkeit besaß, aus jedem Dreck, den man ihm hinstellte, ein Cordon Bleu zu zaubern. Ein Genie war er schon, aber kein Gott. Gewürze? Nur irgendein süßes, nach Sirup schmeckendes Synthetikzeug. Salz ... diese alten Armeerationen schienen zur Sicherheit dreifach gepökelt worden zu sein. Was sich sonst noch an Zutaten in der Speisekammer fand, war schon vor langer Zeit in die Geschmacklosigkeit abgedriftet.
Er stellte die Nahrungsmittel zu einer Masse zusammen, von der er hoffte, daß sie als Eintopf durchging, stellte alles auf ein Kochfeld und machte sich an das Abendessen für die Offiziere.
Er hätte sich nicht soviel Mühe geben müssen.
Jarvis hatte sich in sein Quartier zurückgezogen, wo er sich für seine Leistung, die Santana wieder einmal ins All befördert zu haben, belohnte. Moran schaufelte alles, was ihm vorgesetzt wurde, wie am Fließband in sich hinein und wagte einen mutigen Versuch mit seiner Serviette. Der Erste Ingenieur, eine mürrische Frau namens D'veen, vertilgte die Hälfte von dem, was vor ihr stand, und verschwand wieder Richtung Maschinenraum. Wie Moran war auch sie bewaffnet.
Dann mußte er die Mannschaft abfertigen. Er war darauf vorbereitet.
Doch nicht auf die sechs Wachen, die die Raumfahrer benötigten, bis sie wieder nüchtern genug waren, um am Tisch zu erscheinen und das, was ihnen vorgesetzt wurde, untenzubehalten.
Raschid verbrachte die Zeit damit, die Küche zu putzen und nachzudenken. Was hatte er hier überhaupt verloren? Weit wichtiger noch: wieso hatte er das Gefühl, genau hier am richtigen Platz zu sein? Er wußte
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