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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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frühere Geliebte in Marburg, ließ die alten Zeiten wiederaufleben, bevor er weiter nach Baden-Baden reiste, wohin ihm Franz Anfang August 1920 entgegenkam. Die beiden Freunde hatten sich viel zu erzählen, aus dem Krieg vor allem, doch Franz auch von seinem schwierigen Zusammenleben mit Helen.
    Am 10. August 1920 ging es mit dem Zug zu Hessels neuem Wohnort Hohenschäftlarn im Isartal. Mit im Zug saß der Archäologe Herbert Koch, der wegen einer Kriegsverletzung ein Sanatorium in der Nähe aufsuchen musste. Roché stieg eine Station vorher aus, um zunächst das Gepäck in seinem Quartier, einem alten Posthaus, abzustellen. Dann ging er zu Hessels Haus, der Villa Heimat, in der er Helen wiedersah und ihre beiden Söhne kennenlernte.
    Mit Franz führte Roché wie einst ausgiebige Gespräche. Mit Helen, die er sieben Jahre nicht gesehen hatte, und den Kindern, die ihm gleich sehr gefielen, besuchte er einen kleinen Zirkus. Pierre machte auch Bekanntschaft mit Helens Schwester Johanna, die einige Gedichte veröffentlicht und Bücher illustriert hatte. Auf dem Papier hieß sie Johanna Hessel und war die Frau von Franz’ Bruder Alfred Hessel. Helen hatte mehrere »Abenteuer« hinter sich, war im Herbst 1919 für einige Monate fortgegangen und hatte auf einem Landgut bei Posen gelebt. Nach wenigen Tagen begann fast beiläufig ihre Liebesaffäre mit Roché. Doch Roché, der sich nicht verändert hatte, ging auch eine Beziehung mit Helens Schwester »Bobann« ein, mit der zuvor Franz eine Affäre hatte. Das berühmte Dreieck begann also als Viereck … Seine Geschäfte vergaß Roché darüber nicht. Er traf sich mit Carl Sternheim, für dessen Theaterstücke er in Frankreich werben wollte und dem er einige Gemälde vermittelte.
     
    Im Isartal begann eine lange, gewundene Geschichte, mit vielen Tiefpunkten und Krisen und nur kurzen Phasen des Glücks. Helen machte sich Illusionen über die Möglichkeit,mit Roché zu leben und Kinder von ihm zu bekommen. Roché schien darauf einzugehen, obwohl er doch eine feste Beziehung in Paris hatte, von der Helen wusste, und auch weiterhin keine Liebesgelegenheit ausließ – häufiger, als Helen ahnte. Neben Helens Phantasie von gemeinsamen Kindern tauchte bei Roché von Anfang an die Idee auf, über das offene Verhältnis zu schreiben. So gesehen war es ein Lebensexperiment. Bald aber trat Franz zurück, war schließlich sogar zur Scheidung bereit. Sie wurde im Juli 1921 vollzogen.
    In der Zeit mit Roché wurde Helen wiederholt schwanger, ließ aber jedes Mal abtreiben. Sie besaß ein Attest, das ihr den Abbruch einer Schwangerschaft unter Verweis auf Krankheitsfälle in ihrer Familie legal ermöglichte. Sie unternahm Reisen mit Roché, nach Sylt und nach Weimar, wohnte sogar einige Zeit mit ihm in Berlin, in der Friedrich-Wilhelm-Straße 15. Als der Lebemann Roché in Bad Saarow Helens andere Schwester kennenlernte, war er von ihr hingerissen und wollte eine Affäre mit Ilse beginnen, was die eifersüchtige Helen jedoch verhinderte.
    Das Jahr 1921 war der Höhepunkt der Liebschaft, und es sah so aus, als hätte die Beziehung eine Zukunft. Doch als Roché ab November 1921 wieder in Paris lebte, führte er sein gewohntes Leben fort: Kontakte mit Künstlern (Picasso, Abel Gance, Blaise Cendrars), Kunstsammlern und Frauen. Helen und Franz heirateten erneut, die Familie zog wieder nach Berlin.
    Die Romanze war vorüber, aber das Nachspiel wurde quälend lang. Bis 1924 trafen sich Pierre und Helen auf diversen Reisen, durch Deutschland, in der Schweiz, in Italien, gelegentlich auch in Paris. Helen hoffte immer noch, dass Pierre ihrem Leben eine Wendung geben könnte, während Franz sich in Berlin einrichtete, wo er inzwischen Lektor im Berliner Rowohlt Verlag geworden war. Für Helen zeichnete sich die Perspektive ab, in Paris zu leben, um näherbei Pierre zu sein. Dass es immer wieder Streit gab und gegenseitiges Betrügen, war ihr nicht Warnzeichen genug.
     
    Diese ungewöhnliche Lebensweise der Eltern prägte auch das Leben der Kinder. Sie wuchsen in keiner traditionellen Familie auf, sondern in einer sehr offenen Lebensgemeinschaft. Sehr früh waren sie in Kontakt mit einem bunten Kreis von Menschen aus der Familie, aus künstlerischen Berufen. Mit Malern, Dichtern, Fotografen, Journalisten, Freunden aus dem Ausland – und eben dem französischen Freund der Mutter. Die Liebe und ihre Folgen wurden ihnen anschaulich nahegebracht, auch ohne explizite »Aufklärung«.
    Der Vater hielt

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