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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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Welterfolg wird. Nun erfährt auch Rochés Roman eine Renaissance und wird in mehrere Sprachen übersetzt. Und letztlich ist es der Film, der den Roman und damit die wahre Geschichte, die daran hängt, gerettet hat.
    Der Film verweist auf den Roman und lebt fast nur von seinem Rhythmus, seinem Schwung. Die Erzählerstimme zitiert ganze Passagen aus Rochés Text, dessen Knappheit ihn durchaus für eine Off-Stimme geeignet macht. Die eigene Leistung des Films besteht vor allem in der Schaffung der Figuren, in der Rollenbesetzung durch Schauspieler, die vom Roman und erst recht von den realen Vorbildern erheblich abweichen. So ist Oskar Werner als Jules eine sehr starke Figur, während Henri Serre als Jim vergleichsweise blass bleibt.
    Am stärksten ist dieser Film natürlich von der Persönlichkeit der Jeanne Moreau geprägt. Aber aus der deutschen Figur wurde eine Französin, was eine kulturgeschichtliche Verschiebung bedeutet, denn Helen Hessel hat für Roché, ähnlich wie Franziska zu Reventlow, einen Frauentypus verkörpert, wie er in seinen Pariser Kreisen gewiss nicht anzutreffen war. Dennoch gibt Jeanne Moreau der Gestalt der Kathe ihr ganz eigenes Gesicht und wird der mythologischen Dimension dieser Figur durchaus gerecht.
    Helen Hessel war im Saal, als der Film seine Premiere erlebte. Sie blieb zur Diskussion, ohne sich zu erkennen zugeben. Dass aus ihrem künstlerischen Schatten ein moderner Mythos geworden war, muss ihr gleichwohl geschmeichelt haben. Sie hat den Film wiederholt angesehen. An diesem Beispiel ihrer indirekten Schöpfung löste sich erneut ihre Lebensmaxime ein: Die Frau muss im Leben alle anderen hervorbringen, den Mann, die Kinder und sich selbst.
     
    Zwischen 1947 und 1950 lebt Helen Hessel in den Vereinigten Staaten, wo ihr Sohn Stéphane seine Laufbahn als Diplomat beginnt. In ihren amerikanischen Jahren reist Helen durch das ganze Land, sie macht bezahlte französische Konversation mit amerikanischen Millionärsgattinnen. Einmal erleidet sie einen schweren Autounfall beim Zusammenstoß mit einer Lokomotive. Sie macht ihrem Sohn das Leben nicht leicht, denn das Verhältnis zu ihrer Schwiegertochter Vitia bleibt angespannt.
    1950 kehrt Helen nach Paris zurück. Dort zieht sie zusammen mit Anne Marie Uhde, der Schwester des 1947 gestorbenen deutschen Kunstsammlers Wilhelm Uhde, der seit 1904 in Paris lebte und der Franz und Helen Hessel aus der heroischen Zeit des Café du Dôme kannte. Die beiden Frauen leben über 30 Jahre lang in einer Wohnung in der Villa Adrienne an der Avenue du Général Leclerc im 14. Pariser Arrondissement, unweit des Platzes Denfert-Rochereau.
    Henri-Pierre Roché wohnt ganz in der Nähe, doch sieht Helen ihn niemals wieder, auch nicht, als der Roman erscheint, den sie allerdings sofort liest. Seinen Namen spricht sie nicht mehr aus, nennt ihn nur noch »den Lügner«. In den fünfziger Jahren übersetzt Helen den Roman
Lolita
von Nabokov ins Deutsche, aber bei Rowohlt lässt man ihre Übersetzung überarbeiten, man traut der alten Dame nicht zu, diesen Roman gut genug zu verstehen, obwohl sie doch wahrlich eine Liebesheldin war. Diese Behandlung brüskiert sie sehr.
    Sie macht sich gelegentlich an kleinere literarische Arbeiten,aber die Manuskripte häufen sich nur in der Schublade. Ihr Zigarettenkonsum bleibt enorm. 1982 stirbt sie, nach langer und qualvoller Bettlägerigkeit, im Alter von 96 Jahren. Anne Marie Uhde überlebt die Freundin um sechs Jahre; bis zuletzt hat sie, als beinahe 100-Jährige, Bilder im Stil der Naiven gemalt, die ihr Bruder geliebt, gesammelt und beschrieben hat. Heute liegen Wilhelm Uhde, Anne Marie Uhde und Helen Hessel in derselben Grabstätte auf dem Friedhof von Montparnasse.
     
    Jules und Jim in ihrer Geschichte, im gelebten wie im geschriebenen Roman, spielen mit dem Anderen, das sich ihnen als anderes Geschlecht offenbart, versuchen es zu neutralisieren, Jules durch Vermeiden und Schwärmen, Jim durch Banalisierung, Vervielfältigung. Bann oder Banalisierung, lauten hier die unterschiedlichen Strategien, die beide scheitern. Und das Glück in all dem?
    Vielleicht gibt es ja zwei Geschichten: eine Glücksgeschichte und eine Lebensgeschichte. Die Lebensgeschichte ist eine soziale, von der Zeugung bis zur Verwesung, es ist die Geschichte unseres Existierens. Die Glücksgeschichte ist die der Wünsche und der Aspirationen des bewussten Subjekts, also meist eine Enttäuschungsgeschichte. Es ist die Geschichte des Bewusstseins, der

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