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Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
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Hessel, deren Schreiben nicht zu solchem Ziele kam. Keine Form hielt ihr Glück. Doch war sie die Einzige, die noch erlebt hat, wie aus ihrer aller Lebensroman ein moderner Mythos wurde, in dem auch ihre Illusionen und ihre gestrandeten Hoffnungen lebendig bleiben.

Gedicht und Gedächtnis
    Das Glück aber und das Festhalten am Glücksanspruch waren das eigentliche Erbe von Stéphane Hessel. »Werde glücklich, und du wirst die anderen glücklich machen«, so lautete das Motto, das er von seiner Mutter übernommen hatte (und diese vermutlich von André Gide, den sie gerne las). Die positive Grundeinstellung hat er sich in keiner Phase seines Lebens trüben lassen. Und sein jüngster Erfolg liegt gewiss auch darin begründet, dass er nicht nur für Widerstand, Revolte, Aufbegehren steht, sondern auch von einer Aura des Glücks umgeben ist. Ihre spürbarste Verkörperung findet diese in Stéphane Hessels Verhältnis zur Poesie. Es ist jedoch ein Glück, das von der Vergänglichkeit weiß und vom Tod. Und vom Stirb und Werde eines geglückten Lebens.
    Die passenden Verse dazu sind die
Terzinen über Vergänglichkeit
von Hugo von Hofmannsthal, ein Text, den Hessel besonders liebt, weil er auch das Staunen über die eigene Biographie beinhaltet, über das Gleiten von Phase zu Phase, von Klippe zu Klippe.
    Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
    und viel zu grauenvoll, als daß man klage:
    daß alles gleitet und vorüberrinnt
     
    und daß mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
    herüberglitt aus einem kleinen Kind
    mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
    Die Poesie ist für Hessel ein Lebenselixier, ja beinahe ein Rauschmittel. »Von Apollinaire bekomme ich nie genug«, bekannte er. Die Poesie hat für ihn einen ganz persönlichen Sinn. Zunächst einmal ist sie die Verbindung zu seiner Mutter. Die ersten Verse, die er dank seiner Mutter lernte, stammten von Rilke, der Helen Hessel übrigens ein Widmungsgedicht in französischer Sprache zugeeignet hat. Vor allem, um seiner Mutter zu gefallen, um vor ihr zu glänzen, hat Stéphane schon früh und gern Verse aufgesagt. »Vielleicht versuche ich immer noch, meine Mutter zu beeindrucken«, sagte Stéphane Hessel einmal, um seine Lust am Rezitieren zu erklären.
    Diese Erinnerung wirkt nach, wenn er an das Gedicht denkt, dem Edgar Allan Poe den Titel »To Helen« gab, das er für Sarah Helen Whitman (1803–1878) schrieb. Die Schönheit dieser Frau feierte Poe mit Anklängen an die griechische Mythologie, eine unwiderstehliche Mischung für Stéphane Hessel. Und seiner Mutter Helen gefiel dieses Gedicht, sie brachte Stéphane dazu, es auswendig zu lernen.
    Gedichte bedeuten für Stéphane Hessel ebenso eine Erinnerung an den Vater, insbesondere an dessen Liebe zur Mythologie. Poesie ist nahe beim Mythos, wenn man diesen als verbale Ikone versteht, wie es Hessel im Anschluss an Ranke-Graves tut. Franz Hessel lebte in der Welt der Odyssee, glaubte an die antike Göttersphäre – sie war seine Privatreligion. Und er las den Kindern seine eigene Übersetzung der Odyssee vor. Die Gedichte, die sein Vater selber schrieb, hat Stéphane Hessel erst sehr spät kennengelernt.
Nun streut der Herbst mir Blätter auf die Schwelle
hebt eines seiner Gedichte an, und es reimt sich auf
schwermütiger Geselle
.
    »Die Dichtung an der Schwelle des Todes« sollte Hessels Poesie-Buch über die 88 Gedichte seines Lebens, das er mit 88 Jahren herausbrachte, ursprünglich heißen. Und soversteht er sie. Jeder Vers muss daherkommen, als seien es letzte Worte, wie in den schneidend klaren Auftakten der Shakespeare-Sonette. Für Hessel schafft die Poesie eine Brücke zwischen der Schönheit und dem Tod. In ihr klingt die Liebe an, aber auch die fast sinnliche Ergebung in den Tod; er nennt es den »effet thanatophorique«, ein beinahe euphorisches Annehmen der Sterblichkeit. Im Gedicht kann man den Tod begrüßen wie eine musikalische Öffnung, die aus der ewigen Stille ins Leben hineinreicht.
    Die Dichtung bringt den Menschen dem Tod näher, macht ihn damit vertraut. Stéphane Hessel glaubt aber auch, dass etwas bleibt jenseits der Schwelle des Todes. Vielleicht bleibe sogar das Gedächtnis der Sterblichen irgendwo »in der Luft« übrig. Die Zahl 88 hat eine magische Bedeutung für ihn; er kennt viel mehr Gedichte, aber die Ziffern, quer gelegt, ergeben ein doppeltes Symbol für die Unendlichkeit. Das Gedicht ist eine Brücke zum Unendlichen und zum Zeitlosen.
    Im Gedicht liegen Lebens- und

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