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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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vertrockneter und reptilartiger aus als sonst.
    »Was gibt’s Neues, Jake?«
    »Nicht viel. Bin ein bisschen durch den Wind.«
    Martin hielt ihm die hintere Tür des Wagens auf, während der Fahrer seine Reisetasche in den Kofferraum packte. Dann fegten sie auf ein Tor in der Umzäunung zu, wo ein uniformierter Beamter einen flüchtigen Blick auf den Umschlag von Jakes Pass warf, bevor er sie durchwinkte.
    »Wie hast du das denn geschafft?«, fragte Jake erstaunt.
    »VIP-Bonus«, erwiderte Martin knapp. »Zurück in die Staaten zu kommen wird sehr viel schwieriger werden, aber das ist der Preis dafür, dass wir die Freiheit achten und unsere Heimat vor Terroristen schützen.«
    »Vermutlich.«
    Einige Minuten später waren sie auf der autostrada . Der Flughafen war auf einem flachen Gelände gebaut worden, wie das meist der Fall war, doch schon bald führte die Straße hinauf in eine spektakuläre Landschaft, allerlei dicke Felsbrocken, darüber verschiedene Grüntöne und kein einziges Haus in Sicht. Jake wusste einfach, dass es dort super Wanderwege, Campingmöglichkeiten und total abgelegene Pfade geben musste. Außerdem konnte der Fahrer wirklich fahren! Währenddessen quasselte Martin in seinem typisch abgehackten Ton darüber, dass die Daten von Aeroscan vielversprechend aussähen, dass im Flussbett des Busento eindeutig etwas war, das keine geologische Formation sein konnte. Er hatte den Ort am Morgen inspiziert, und er war wirklich sehr abgelegen, also sollten sie diese Nacht unbeobachtet arbeiten können, die Maschinen waren gemietet, und die irakischen Arbeiter standen bereit …
    »Hey!«, sagte Jake.
    Der Monolog endete.
    »Wie weit ist es von hier zum Hotel?«
    »Fünfzehn Minuten«, sagte Nguyen, »maximal zwanzig. Dann sind’s noch mindestens sechs Stunden, bevor wir anfangen können. Du solltest sehen, dass du etwas Schlaf kriegst. Den wirst du brauchen.«
    »Blödsinn. Ich hab ewig in diesem verdammten Flugzeug rumgehangen, kam mir vor, als hätt ich mein ganzes Leben da verbracht. Jetzt, wo ich hier bin, will ich spielen. Sag dem Typ, er soll von der Interstate runterfahren, rauf in die Berge und mal zeigen, was in dieser Kiste steckt.«
    »Aber Jake …«
    »Hey, das geht alles auf meine Rechnung! Warum soll ich nicht mal dran schnuppern dürfen, wofür ich zahle?«
    Also ruft Martin Tom Newman an und gibt Jakes Anweisungen weiter, dann ruft Tom den Fahrer an und sagt ihm, was der Mann auf dem Rücksitz will, und der Fahrer bestätigt das mehrere Male, um absolut sicherzugehen, dass, wenn einer hier im Auto verrückt ist, dann nicht er.
    »Schnell für Spaß?«, sagt er in Porno-Englisch. Martin steckt ihm einen Fünfzig-Euro-Schein zu. »Más rapido possibile.«
    »Häh?«, sagt Jake.
    »Ich bin eine Sprachenhure.«
    Dann lassen sie die sanften Steigungen und überhöhten Kurven der autostrada hinter sich und stürzen sich in ein Gewirr aus Kastanien, Eichen, Ahorn und Buchen auf einem schmalen Weg, der aussieht, als wäre er irgendwann in der Steinzeit angelegt, vor einem Jahrhundert asphaltiert und dann sich selbst überlassen worden, fahren unmöglich steile Steigungen hinauf und um 180-Grad-Kurven herum, die so eng sind, dass sie in eine Hosentasche passen, nutzen mit ständig plärrender Hupe die gesamte Breite der Straße, haben erstaunliche Aussichten hinunter ins Tal und auf die Berge gegenüber, die im nächsten Augenblick auch schon wieder verschwunden sind, wenn der Wagen im Zwanzig-Sekunden-Rhythmus mit allen vier Rädern aus einer Kurve driftet und erneut so heftig beschleunigt, dass sich einem der Magen umdreht, bis der Motor schließlich nach dem ganzen Rumgezuckel in der Stadt auf vollen Touren läuft, und Jake lacht wie ein Wahnsinniger.
    »Vergiss den verdammten Schatz, für die Fahrt hat sich der Trip hierher schon gelohnt!«
    Martin will antworten, doch sein Mund ist voll mit etwas, von dem er glaubt, dass es Erbrochenes ist, und hofft, dass es kein Blut ist.

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    Man könnte die italienische Republik - res publica , öffentliche Angelegenheiten im Gegensatz zu Familien- und Privatangelegenheiten - mit dem Planeten vergleichen, von dessen Oberfläche sie ein kleiner Teil ist. Flüchtig betrachtet ist alles ständig im Fluss, Entstehen und Untergehen, Höhepunkte und Katastrophen, doch diese augenfällige Biosphäre stellt nicht mehr als einen winzigen Bruchteil der Gesamtmasse dar. Die Leute reden locker davon, dass sie die Erde retten wollen, doch dieser Himmelskörper ist

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