Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)
Verlöschen oder Verwehen heißt übersetzt »Nirwana«. Nach buddhistischer Vorstellung ist der Tod einerseits eine leidvolle Erfahrung, andererseits aber ist er ein »eigenartiges Grenzgebiet des Geistes, ein Niemandsland«, sagt der tibetische Meditationsmeister Sogyal Rinpoche, das »die Möglichkeit grenzenloser Freiheit bietet« 28 . In diesem Moment sind die Grenzen des Bewusstseins aufgehoben und der Geist frei und aufnahmefähig wie sonst nie. Deshalb ist dieser Moment so besonders wichtig, denn in welcher gedanklichen Verfassung ein Mensch stirbt, wird Einfluss auf seine Wiedergeburt haben.
Während wir in den westlichen Kulturen die Reinkarnation als Möglichkeit sehen, in einem nächsten Leben all das nachzuholen, was wir im bisherigen vielleicht versäumt haben, erleben Buddhisten und Hindus sie als Verhängnis. Auch im Hinduismus strebt der Gläubige eine Überwindung dieses Kreislaufs, nämlich »Mokscha«, die Erlösung, an. Der Tod wird als ein Erwachen aus einem Leben in Täuschung verstanden. Was den Hindu oder Buddhisten danach erwartet, das hängt davon ab, wie er während seines Lebens gehandelt hat, denn jedes Handeln hat Folgen, »Karma«, und so werden sich gute wie schlechte Taten auf das nächste Leben auswirken. Es kommt also darauf an, gut und richtig zu leben, um einen guten Tod und ein gutes Karma für das nächste Leben zu haben. Damit wird der Tod zu einem »Spiegel, in dem der ganze Sinn des Lebens reflektiert wird« 29 .
In den großen monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam ist die Vorstellung vom »Danach« die von einem Leben nach dem Tod und der Auferstehung der Toten. Im Judentum allerdings entwickelte sich die Vorstellung davon erst allmählich. Ein langes, glückliches Leben galt als Zeichen eines im Einklang mit Gott geführten Lebens. Der gläubige Jude war und ist auf das Diesseits konzentriert und hat die Aufgabe, sein Leben so gut wie möglich zu nutzen. Bis heute ist ihm vor allem wichtig, in seinen Nachkommen weiterzuleben. Nach dem Tod gibt der Mensch seine Seele an Gott zurück und erwartet dann seine physische Auferstehung, die erfolgen wird, wenn der Messias kommt. Deshalb gilt auf jüdischen Friedhöfen ein ewiges Ruherecht, damit die Toten dort ungestört auf ihre Rückkehr ins Leben warten können.
Nach den Vorstellungen des Islam ist der Tod ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu Gott. Er ist nichts Negatives, kein Ende, sondern ein Ortswechsel. Er wird nicht als Strafe verstanden, sondern als Befreiung von den Prüfungen des Lebens. Nach dem Tod beginnt auch nach dem Islam für die Toten die Wartezeit bis zum Jüngsten Gericht, das sich durch eine gewaltige kosmische Katastrophe ankündigt. Dann kommt der Tag der Abrechnung, an dem Allah selbst jede Seele richten wird. Auf einen frommen Moslem wartet danach das Paradies – ein Ort des Friedens und des Glücks –, auf den Ungläubigen dagegen endlose Qual.
Nach den Überlieferungen des Christentums gehörte der Tod ursprünglich nicht zum Leben, sondern kam erst durch den Sündenfall in die Welt, als Adam den verbotenen Apfel vom Baum der Erkenntnis aß und aus dem Paradies vertrieben wurde. Seither sind Gott und die Menschen voneinander getrennt und werden erst im Tod wieder zusammengeführt. Die Sterblichkeit ist also ein Unheil, von dem Christen aber erlöst sind durch den Tod Jesu, der für alle Menschen am Kreuz gestorben und wieder auferstanden ist. Er hat damit den Weg für alle Menschen frei gemacht für das Ewige Leben. »Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen«, verspricht Jesus. »Ich gehe, um einen Platz für Euch vorzubereiten«, heißt es bei Johannes (14, 1–3).
Ich bin da
Der Tod ist der Moment einer letzten Entscheidung, einer letzten Geburt.
Karl Kardinal Lehmann
In unserer modernen, von religiösen Bindungen immer stärker losgelösten Welt ist solcher Glaube bei vielen Menschen aber – wenn überhaupt – nur noch rudimentär vorhanden. Kirchliche und religiöse Riten verschwinden mehr und mehr aus unserem Alltag. Im Angesicht des Todes spüren Sterbende dann oft eine große Unruhe, sie fühlen sich unsicher, allein mit ihren Ängsten und seelischen Qualen. Es sind häufig Gefühle von Schuld und Versagen, die Trauer um versäumte Gelegenheiten und Sorgen um die, die man zurücklässt, die Todkranke peinigen. Und manchmal beschwört die Überzeugung, dass der Tod das Ende ist, plötzlich eine tiefe Furcht vor dem Nichts herauf.
Aber solche
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