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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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neutral oder, bestenfalls, wohlwollend, würde ich es erwähnen. Sonst nicht.
    Leider hatte er sich jedoch auf die Couch gesetzt, die am hinteren Ende des Wohnzimmers stand, und nicht in einen der beiden Ledersessel vor dem Fernseher wie sonst. Um Kontakt zu ihm aufzunehmen, konnte ich mich also nicht einfach wie beiläufig zu ihm umdrehen und ihm eine gute Nacht wünschen, sondern musste mehrere Schritte ins Zimmer hinein gehen. Dadurch würde er natürlich erkennen, dass ich auf etwas Besonderes aus war. Und daraufhin würde es keinen Sinn mehr haben, sich vorzutasten, dann musste ich unabhängig davon, in welchem Ton er mir antwortete, heraus mit der Sprache.
    Dies wurde mir jedoch erst bewusst, als ich die Küche bereits verlassen hatte, und weil die Unsicherheit mich innehalten ließ, hatte ich plötzlich keine Wahl mehr, denn er hörte natürlich, dass ich stehen blieb, woraufhin ich ihm unverzüglich sagen musste, dass ich etwas von ihm wollte. Also machte ich die noch erforderlichen vier Schritte und trat in sein Blickfeld.
    Er hatte ein Bein über das andere geschlagen, den Ellbogen auf die Rückenlehne der Couch gestützt, den Kopf in der Hand ruhend leicht in den Nacken gelegt. Sein Blick, der offenbar schräg zur Decke hinaufgegangen war, richtete sich auf mich.
    »Gute Nacht, Papa«, sagte ich.
    »Gute Nacht«, sagte er.
    »In den Abendnachrichten zeigen sie bestimmt nochmal dasselbe Bild«, sagte ich. »Ich hab mir nur gedacht, dass ich dir das sagen sollte. Damit du es dir mit Mama ansehen kannst.«
    »Was für ein Bild?«, fragte er.
    »Das von dem Gesicht«, antwortete ich.
    »Dem Gesicht?«
    Mein Mund stand anscheinend offen, denn plötzlich ließ er den Unterkiefer nach unten fallen und starrte mich mit gähnendem Mund an, so dass ich begriff, er ahmte mich nach.
    »Von dem ich dir erzählt habe«, sagte ich.
    Er schloss den Mund wieder und richtete sich auf, ohne mich aus den Augen zu lassen.
    »Jetzt ist aber mal Schluss mit diesem Gesicht«, sagte er.
    »Ja«, erwiderte ich.
    Als ich mich umdrehte und in Richtung Flur ging, spürte ich, dass sich seine Aufmerksamkeit von mir abwandte. Ich putzte mir die Zähne, zog mich aus und den Schlafanzug an, machte die Lampe über dem Bett an, bevor ich die Deckenlampe löschte, legte mich hin und begann zu lesen.
    Eigentlich durfte ich nur eine halbe Stunde lesen, bis zehn, aber in der Regel las ich, bis Mutter gegen halb elf nach Hause kam. So auch an diesem Abend. Als ich den Käfer von der Hauptstraße aus herauffahren hörte, legte ich das Buch auf den Fußboden und löschte das Licht, um in der Dunkelheit zu liegen und zu lauschen: die Autotür, die zugeschlagen wird, ihre Füße auf dem Kies, die Haustür, die geöffnet wird, Mantel und Schal, die ausgezogen werden, die Schritte auf der Treppe … Das Haus wirkte verändert, wenn sie sich darin aufhielt, und seltsamerweise konnte ich dies merken ; war ich beispielsweise eingeschlafen, bevor sie nach Hause kam, und wachte nachts auf, spürte ich, dass sie da war, denn die Atmosphäre hatte sich verändert, ohne dass ich hätte sagen können, wie, nur so viel, dass es beruhigend wirkte. Gleiches galt, wenn sie früher als geplant heimkam, während ich noch draußen gewesen war: Sobald ich den Flur betrat, wusste ich, dass sie da war.
    Ich hätte natürlich gerne mit ihr gesprochen, denn wenn jemand das mit dem Gesicht verstehen würde, dann sie, aber zwingend notwendig erschien es mir nicht. Wichtiger fand ich, dass sie hier war. Ich hörte, wie sie den Schlüsselbund auf das Telefontischchen legte, nachdem sie die Treppe heraufgekommen war, dann die Schiebetür öffnete, etwas zu Vater sagte und sie anschließend wieder hinter sich schloss. Ab und zu, vor allem nach den Spätdiensten am Wochenende, hatte er für sie gekocht, wenn sie heimkam. Dann legten sie manchmal Platten auf. In seltenen Fällen hinterließen sie eine Flasche Wein auf der Arbeitsplatte in der Küche, immer dieselbe Marke, der Rotwein aus dem Monopol, und ganz selten Bier, ebenfalls immer dieselbe Marke, zwei oder drei Flaschen Pils von Arendals Brauerei, die braunen 0,7-Literflaschen mit dem gelben Segelschifflogo.
    An diesem Abend war dies jedoch nicht der Fall, worüber ich froh war. Wenn sie zusammen aßen, schauten sie nämlich nicht fern, und das mussten sie, wenn ich meinen Plan in die Tat umsetzen wollte, der so simpel wie gewagt war: Ein paar Sekunden vor elf würde ich mich aus dem Bett und in den Flur hinausschleichen,

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