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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Vidar.
    »Und du bist …«, sagte er und deutete mit dem Zeigefinger auf mich. »Kai Olav!«
    »Karl Ove«, sagte ich.
    »What the fuck. Kommt rein! Wir sitzen hier drüben!«
    Wir zogen unsere Jacken im Flur aus und folgten ihm die Treppe hinunter in einen Partykeller, in dem fünf Leute saßen. Sie sahen fern. Der Tisch vor ihnen war voller Bierflaschen, Chipsschüsseln, Zigarettenschachteln und Tabakbeutel. Øyvind, der die Arme um seine Freundin gelegt hatte, Lene, die erst in die siebte Klasse ging, aber trotzdem hübsch war und so frech, dass man eher selten an den Altersunterschied dachte, lächelte uns an, als wir hereinkamen.
    »Hallo, ihr zwei!«, sagte er. »Schön, dass ihr gekommen seid!«
    Er stellte uns die anderen vor. Rune, Jens und Ellen. Rune ging in die neunte Klasse. Jens und Ellen in die achte, während Jan Ronny, der Øyvinds Cousin war, in die Berufsschule ging und eine Ausbildung zum Mechaniker machte. Keiner von ihnen hatte sich herausgeputzt. Nicht einmal ein weißes Hemd.
    »Was guckt ihr?«, sagte Jan Vidar, setzte sich auf die Couch und holte ein Bier heraus. Ich blieb an der Wand unter dem niedrigen Kellerfenster stehen, das komplett zugeschneit war.
    »Einen Bruce-Lee-Film«, antwortete Øyvind. »Er ist bald zu Ende. Aber wir haben auch noch Bachelor Party und einen Dirty-Harry-Film. Und Jan Ronny hat auch noch einige. Was wollt ihr sehen? Uns ist es gleich.«
    Jan Vidar zuckte mit den Schultern.
    »Mir egal. Was meinst du, Karl Ove?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Gibt es hier einen Flaschenöffner?«, sagte ich.
    Øyvind lehnte sich vor, nahm ein Feuerzeug vom Tisch und warf es mir zu. Aber ich konnte Flaschen nicht mit dem Feuerzeug öffnen. Andererseits war es auch nicht möglich, Jan Vidar zu bitten, sie für mich zu öffnen, das war schwul.
    Ich zog eine Flasche aus der Tüte und steckte ihren Hals zwischen meine Zähne, schob ihn ein bisschen weiter, damit der Kronkorken genau über den Backenzahn gelangte, und biss zu. Der Korken rutschte schäumend von der Flasche.
    »Tu das nicht!«, sagte Lene.
    »Das geht schon«, erwiderte ich.
    Ich leerte sie in einem Zug, aber abgesehen davon, dass die Kohlensäure meinen Bauch mit Luft füllte und ich kleine Rülpser hinunterschlucken musste, merkte ich auch von dieser Flasche nichts. Und noch eine schaffte ich nicht in einem Zug.
    Als meine Füße allmählich wärmer wurden, taten sie weh.
    »Hat einer von euch Schnaps?«, sagte ich.
    Sie schüttelten den Kopf.
    »Nur Bier, tut mir leid«, sagte Øyvind. »Aber wenn du willst, kannst du eins haben.«
    »Ich hab selbst, danke«, erwiderte ich.
    Øyvind hob seine Flasche.
    »Ex und hopp!«, sagte er.
    »Ex und hopp!«, sagten die anderen und stießen mit den Flaschenhälsen an. Sie lachten.
    Ich holte die Zigarettenschachtel aus der Tüte und steckte mir eine an. Pall Mall Lights waren nicht gerade die stärksten Zigaretten, und als ich dort mit der vollkommen weißen Zigarette stand, an der auch der Filter weiß war, bereute ich, nicht Prince Denmark gekauft zu haben. Aber ich hatte die ganze Zeit die Fete im Kopf gehabt, zu der wir nach zwölf hinzustoßen wollten, die Irene aus meiner Klasse organisiert hatte, und dort würden Pall Mall Lights nicht sonderlich auffallen. Außerdem war es die Zigarettenmarke, die Yngve rauchte. Jedenfalls war sie es das eine Mal gewesen, das ich ihn rauchen gesehen hatte, eines Abends im Garten, als Mutter und Vater bei Vaters Onkel Alf waren.
    Nun galt es, eine neue Flasche aufzubekommen. Ich wollte nicht noch einmal meine Zähne zu Hilfe nehmen, denn irgendetwas sagte mir, dass dies früher oder später schiefgehen und der Zahn nachgeben und brechen würde. Und jetzt, nachdem ich gezeigt hatte, dass ich Flaschen gerne mit den Zähnen öffnete, würde es vielleicht nicht mehr ganz so schwul wirken, Jan Vidar darum zu bitten.
    Ich ging zu ihm und nahm mir ein paar Chips aus der Schüssel auf dem Tisch.
    »Machst du sie mir bitte auf?«
    Er nickte, seine Augen blieben auf den Film gerichtet.
    Seit einem Jahr machte er Kickboxen. Ich vergaß es immer wieder, war jedesmal aufs Neue überrascht, wenn er mich zu einem Wettkampf oder etwas in der Art einlud. Ich lehnte natürlich immer dankend ab. Aber das hier war Bruce Lee, das Gekloppe war alles, was zählte, und er war jetzt Feuer und Flamme.
    Mit der Bierflasche in der Hand kehrte ich zu meinem Platz an der Wand zurück. Keiner sagte etwas, Øyvind sah mich an.
    »Setz dich, Karl Ove«, sagte

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