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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Jugendlicher stand auf dem Parkplatz um einen Klotz herum, der kleine Lichtkugeln ausspuckte, die in Funken explodierten. Ein paar Autos fuhren langsam hintereinander die Straße hinab, die eine ganze Weile parallel zu der unseren verlief. Auf der anderen Seite lag das Ufer. Die Bucht war von einer weißen Eisschicht bedeckt, die hundert Meter weiter draußen schwarz aufriss.
    »Wie viel Uhr ist es eigentlich?«, sagte Jan Vidar.
    »Halb zehn«, antwortete Terje.
    »Mist. Dann schaffen wir es ja nicht einmal, bis zwölf voll zu sein«, sagte Jan Vidar.
    »Ihr müsst um zwölf zu Hause sein?«
    »Ha, ha«, sagte Jan Vidar.
    Wenige Minuten später hielt Terje neben der Bushaltestelle an der Timenes-Kreuzung, und wir stiegen aus. Stellten uns mit unseren Tüten unter das Dach des Wartehäuschens.
    »Wann sollte der Bus gehen, um zehn nach acht?«, sagte Jan Vidar.
    »Stimmt genau«, erwiderte ich. »Aber vielleicht hat er ja Verspätung?«
    Wir lachten.
    »Ach, was soll’s«, sagte ich. »Jetzt können wir uns jedenfalls ein Bier genehmigen!«
    Ich konnte die Flasche nicht mit dem Feuerzeug öffnen und reichte sie Jan Vidar. Wortlos hebelte er die Kronkorken von zwei Flaschen und gab mir eine.
    »Aahh, das schmeckt«, sagte ich und strich mir mit dem Handrücken über den Mund. »Wenn wir jetzt zwei oder drei kippen, haben wir für später eine Art Grundlage.«
    »Verdammt, ich habe eiskalte Beine«, sagte Jan Vidar. »Du auch?«
    »Ja, bis auf die Knochen durchgefroren«, sagte ich.
    Ich setzte die Flasche an den Mund und trank, solange ich konnte. Als ich sie wieder absetzte, war nur noch ein kleiner Schluck auf dem Boden übrig. Mein Bauch war voller Schaum und Luft. Ich versuchte zu rülpsen, aber es kam nichts, nur etwas blubbernder Schaum, der wieder in den Mund aufstieß.
    »Machst du mir noch eine auf?«, sagte ich.
    »Klar«, sagte Jan Vidar. »Aber weißt du was, hier können wir auch nicht den ganzen Abend stehen bleiben.«
    Er hebelte einen weiteren Kronkorken ab, reichte mir die Flasche. Ich setzte sie an den Mund und schloss konzentriert die Augen. Etwas mehr als die Hälfte bekam ich hinunter. Es folgte ein weiterer Schaumrülpser.
    »Oh, verdammt«, sagte ich. »Es schmeckt nicht gerade toll, wenn man das Zeug so schnell trinkt.«
    Die Straße, an der wir standen, war die Hauptverkehrsader zwischen den Sørlandsstädten. Normalerweise war sie dicht befahren. In den zehn Minuten, die wir dort gestanden hatten, waren jedoch nur zwei Autos vorbeigekommen, beide in Richtung Lillesand unterwegs.
    Die Luft unter den grellen Straßenlaternen war voller wirbelndem Schnee. Der Wind, den die Schneeflocken sichtbar machten, schwoll an und fiel ab, wie in Wellen, mal langsam und gleichsam gedehnt, mal jäh und wirbelnd. Jan Vidar schlug den rechten Fuß gegen den linken, den linken gegen den rechten, den rechten gegen den linken …
    »Jetzt trink schon«, sagte ich, kippte die letzte Hälfte hinunter und warf die leere Flasche in den Wald hinter dem Unterstand.
    »Noch eine«, sagte ich.
    »Du kotzt gleich«, entgegnete Jan Vidar. »Lass es ein bisschen ruhiger angehen.«
    »Nun, komm schon«, sagte ich. »Noch eine. Scheiße, es ist fast zehn.«
    Er hebelte den Kronkorken von einer neuen Flasche und reichte sie mir.
    »Was sollen wir jetzt tun?«, sagte er. »Zum Laufen ist es zu weit. Der Bus ist weg. Es gibt keine Autos zum Trampen. Hier gibt es ja nicht einmal ein Telefon in der Nähe, von dem aus wir jemanden anrufen könnten.«
    »Wir werden hier sterben«, sagte ich.
    »Hallo!«, sagte Jan Vidar. »Da kommt ein Bus. Es-ist-ein-Arendalbus!«
    »Machst du Witze?«, sagte ich und schaute den Hang hinauf. Er machte keine Witze, denn dort, in der Kurve auf der Hügelkuppe, näherte sich ein hoher und schöner Bus.
    »Komm schon, wirf deine Flasche weg«, sagte Jan Vidar. »Und lächle recht freundlich.«
    Er streckte die Hand aus. Der Bus blinkte und hielt, öffnete die Tür.
    »Zweimal nach Søm«, sagte Jan Vidar und reichte dem Fahrer einen Hunderter. Ich schaute den Gang hinab. Der Bus war dunkel und vollkommen leer.
    »Mit dem Trinken müsst ihr aber warten«, sagte der Fahrer, als er das Wechselgeld aus seiner Tasche drückte. »In Ordnung?«
    »Selbstverständlich«, sagte Jan Vidar.
    Wir setzten uns in eine Bank in der Mitte. Jan Vidar lehnte sich zurück und presste die Füße gegen die Trennwand, die den Platz vor der Tür abschirmte.
    »Ah, ist das schön«, sagte ich. »Warm und gut.«
    »Mhm«,

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