Sterben Sie blo nicht im Sommer
mehrfach nachzuweisen.
Immerhin: All die Dinge, die wir für Mutters Pflege, neudeutsch ›Homecare‹ benötigen, sind schon in der Reha-Klinik bestellt worden. Das nennt sich ›Entlassungsmanagement‹. Es wird eine ziemlich lange Einkaufsliste erstellt und an das Sanitätshaus weitergereicht, mit dem die Klinik zusammenarbeitet. Das ist praktisch. Sehr unpraktisch dagegen ist, dass wir für nahezu jeden einzelnen Gegenstand, den wir für Mutters häusliche Pflege brauchen, einen anderen Ansprechpartner im Sanitätshaus und bei der Krankenkasse haben. Einen für das Bett, einen für den Rollstuhl, einen für die Windeln, einen für die Sondenkost. Und alle sind potentielle Krisenherde. Neben dem Pflegebett macht auch der Hebelift Probleme. Was man bekommt, sind Leihgeräte. Nun sind aber alle Hebelifte in Gebrauch. Man könnte ja in Erwägung ziehen, einfach einen neuen in die ewige Umlaufbahn um den Planeten ›Pflegebedürftigkeit‹ zu schicken. Aber das scheint unmöglich. Und dann die Rollstuhl-Rampe: Das Haus meiner Eltern liegt drei Stufen erhöht (denken Sie daran, wenn Sie demnächst vorhaben, eine Immobilie zu kaufen …). Ein Mitarbeiter des Sanitätshauses war vor Ort, um die Höhe und damit den Neigungswinkel und die Rampenlänge abzumessen. Nun ruft er an, um uns das Ergebnis der mathematischen Herausforderung einer einfachen geometrischen Rechnung mitzuteilen: Die Rampe sei ›ähm‹ sehr, sehr lang geraten. Um genau zu sein: So lang, dass man darauf das nächste Vierschanzenspringen austragen könnte.
Irgendwann aber ist bis auf die Rampe und den Hebelift alles erledigt. Selbst »Teutonia II « ist da und entpuppt sich entgegen seines ›Hart-wie-Kruppstahl-zäh-wie-Leder‹-Namens und trotz der »3 Motoren« als Wackelkandidat. Es neigt sich nach rechts, es neigt sich nach links. Wäre das hier von Ikea, wir würden es sofort reklamieren. Aber – und auch das wird einem ständig suggeriert – man muss dankbar sein für das, was man hat. Und das ist ja nicht wenig: Der Pflegedienst ist beauftragt, der Infusionsständer ist da, die Ernährungspumpe zur Sondenapplikation, der Rollstuhl, Universaltrichteradapter, Blasenspritzen, die aufblasbare Haarwaschwanne. Außerdem stehen bereit: Mehrere Pakete mit Einmalhandschuhen, ein großer Stapel Windeln (mit einem Fassungsvermögen von 2,1 Litern – was denken die, wen wir hier zu versorgen haben? Colonel Hathi aus dem Dschungelbuch?), vier Bettschutzeinlagen Frottee, ein Paar Kompressionsstrümpfe, Pappschalen, ein digitales Thermometer, Pakete mit Sondenkost »Fresubin Soya Fibre« im »EasyBag«, Bettdusche »Lavaset L3«, Schnellspanner für Pflegebett, Hygienebeutel, Watte, Feuchttücher, Papiertücher, mehrere Kissen, Trinkbecher, Blutdruckmessgerät, ein Mörser, um die Tabletten zu zerkleinern und das Pharma-Hack in Wasser aufgelöst direkt durch die PEG -Sonde geben zu können, Blutzucker-Mess-Utensilien, zwei Pflegehemden »mit halboffenem Rückenteil« und Blümchen, eine »Lagerungsrolle«, Waschhandschuhe und ein großer Müllsack. Weil meine Mutter MRSA -Trägerin ist, haben wir außerdem Desinfektionsmittel in größeren Mengen und für den Pflegedienst eigene Kittel und Mundschutz vorrätig. Von wegen, man geht mit leeren Händen von dieser Welt. Nicht mal die Salzburger Festspiele haben so viel Equipment wie ein Schwerstkranker. Allein wegen der Medikamente könnte es im Wohnzimmer meiner Eltern nun aussehen wie in »Emergency Room«. Aber meine Schwester mit ihrem Händchen fürs Dekorative hat überall bunte Kissen verteilt, »Teutonia II « ist mit Blümchenbettwäsche aufgewertet worden. Am Bett steht ein Nachttisch mit Fotos der Enkelkinder. Meine Mutter kann nun durch die große Terrassentür direkt in ihren geliebten Garten schauen, auf den riesigen Rosenstrauch, an dem ihr Herz so hängt. Wir werden nun immer hier bei ihr sein können, in diesem Raum, in dem gegessen wird, in dem ihre Bücher stehen, die beeindruckende Bibliothek an Kinderfilmen für die Enkel, der Fernseher. Wie man eben immer ›immer‹ sagt, auch wenn gerade noch so viel Zeit ist, wie man braucht, um eine kriminelle Vereinigung zur Beschaffung einer illegalen Pflegekraft zu gründen.
Bilden Sie eine kriminelle Vereinigung!
Eine gute Pflege für eine Todkranke zu organisieren, ähnelt in wesentlichen Punkten der Beschaffung von Heroin: Man knüpft unter konspirativen Bedingungen Kontakte, trifft sich in fremden Wohnungen und kann mit viel Glück einen
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