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Sterben War Gestern

Sterben War Gestern

Titel: Sterben War Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Waffender
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weitaus besser, als sich seinen melancholischen Gedanken hinzugeben.
    Die beiden Kommissarinnen waren während der Autofahrt sehr schweigsam. Die Jüngere zerbrach sich den Kopf darüber, warum Erich Werle, der doch immer über alles informiert werden wollte, der keinen Tag ausließ, an dem er sie nicht wegen einer Banalität anrief, plötzlich sein Handy ausgeschaltet hatte. Normalerweise kam er noch mit dem sprichwörtlichen Kopf unter dem Arm zum Dienst, in den zwei Jahren, in denen sie schon mit ihm zusammenarbeitete, hatte er sich noch nie krankschreiben lassen. Es musste ihn also wirklich erwischt haben. Und sie ertappte sich dabei, dass sie sich um ihren kauzigen Chef sorgte.
    Inge Nowak verstand die Welt nicht mehr. Nun hatte sie alles dafür getan, sämtliche Leichen im Keller zu lassen, um sich ganz und gar um ihre eigenen Probleme zu kümmern, und schon saß sie wieder in einem Dienstwagen der Kriminalpolizei und war auf dem Weg zu einem Tatort. Zudem mit einer Kollegin, über deren Gesichtszüge sie am Abend ein wenig zu lange nachgedacht hatte, und gefolgt von einem Mitpatienten, der sich ebenso wenig um Therapieanweisungen scherte wie sie. Auf dem Zettel, der ihnen in der kurzen Besprechung zu dem bevorstehenden Schlafentzug vom Oberarzt ausgehändigt worden war, waren fünf Punkte vermerkt, von denen sie die zur Vorbereitung auf die schlaflose Nacht allesamt nicht befolgten:
    Beschäftigen Sie sich am Tag vor dem Schlafentzug nicht zu sehr mit anderen.
    Nutzen Sie die freie Zeit, um sich Notizen über Ihr Befinden zu machen.
    Schreiben Sie auf, wann Sie gut und wann Sie schlecht schlafen, beginnen Sie an diesem Tag ein Schlaftagebuch.
    Überlegen Sie sich gut, mit wem sie wie die Nacht verbringen wollen.
    Nutzen Sie die Zeit davor, um in sich zu gehen, und entspannen Sie sich, ohne vorzuschlafen.
    „Was denken Sie?“ Sylvia Eberstätter sah sie kurz von der Seite an und schaute dann wieder auf die Straße.
    „Ob es ein Gen gibt, das dafür sorgt, zielsicher zu tun, was man lassen sollte.“
    „So etwas wie ein Zerstörungsgen?“
    „Ungefähr.“ So hätte sie es selbst nicht genannt, aber vielleicht wirkte in ihr ja tatsächlich eine Art Selbstzerstörungsmechanismus, der Ruhe und Frieden unmöglich machte. Wodurch sie immer in die falsche Richtung lief, um bloß nie bei sich selbst anzukommen.
    „Und, was meinen Sie? Gibt es das?“
    „Wenn ja, lässt es sich glücklicherweise in keiner DNA nachweisen.“
    „Denken Sie, man wird zum Mörder geboren?“
    „Nein. Aber ich bin auch nicht der Überzeugung, dass man dazu gemacht wird. Das tut man schon schön selbst.“
    „Und ist deshalb verantwortlich für das, was man tut?“
    „Absolut.“
    Ein ganzer Fuhrpark von Einsatzwagen versperrte die Zufahrt zu dem Eckgrundstück der letzten Reihe einer beträchtlichen Anzahl von gleich aussehenden Einfamilienhäusern. Die Oberkommissarin stellte den Wagen am Straßenrand ab und sie schlängelten sich an den Autos vorbei, unter der Absperrung hindurch, blieben schließlich auf der Terrasse stehen. Von hier aus konnten sie die tote Lydia Kronberg durch die geöffnete Balkontür sehen. Sie war seitlich vom Stuhl gekippt, der nur verschoben, nicht aber umgefallen war.
    Inge Nowak betrachtete die Leiche von Weitem, versuchte sich den Rechtsmediziner wegzudenken, der mit dem Rücken zu ihr kniete, und auch die Männer und Frauen von der Spurensicherung, die mit ihren Pinseln auf der Suche nach Fingerabrücken waren und mit Vergrößerungsgläsern nach Haaren und anderen Partikeln fahndeten.
    „Das war eine Hinrichtung. So etwas macht nur ein Profi“, sagte die Hauptkommissarin schließlich mehr zu sich selbst.
    „Wie kommen Sie darauf?“
    „Bei dem Fallwinkel stand jemand direkt hinter ihr, bei dem bisschen Blut hatte der Täter eine eigens dafür ausgesuchte Waffe, und so kaltblütig sind die wenigsten beim ersten Mal. Sie sah Sylvia Eberstätter an. „Rein statistisch gesehen würde ich sagen: ein Mann. Oder haben Sie schon mal von einer Berufskillerin gehört?“
    Die Oberkommissarin schüttelte ernst den Kopf und fragte dann: „Aber warum?“
    „Sie hat zu viel gewusst. Und er hat sich etwas geholt.“ Inge Nowak ging vorsichtig ein paar Schritte durch den Raum und zeigte dann auf den Sekretär. „Da, die Schublade. Ich würde gern einmal hineinschauen und auch einen Blick auf den Umschlag werfen, der davor auf dem Boden liegt.“
    Sylvia Eberstätter nickte und bat die Kollegen um

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