Sterbensangst (German Edition)
Lokalpolitiker endlich sein Wahlversprechen einlösen musste und eine öffentliche Untersuchung anordnete. Doch auch die ergab keine eindeutigen Ergebnisse. Die Dunbar lag wirklich auf dem Grund der Barentssee. Man hatte tatsächlich Leichen an Bord gefunden. Aber waren auch Spione darunter? Das konnte niemand sagen. Ein Gottesgeschenk für die Sensationspresse und alle Verschwörungstheoretiker.
»Die Yankees lieben alles, was sie an den Kalten Krieg erinnert«, meint die Dokumentarfilmerin. »Wir haben die Idee an einen Kabelsender in den USA verkauft. Sie wissen schon, à la: Tapfere Yorkshire-Männer spionieren gegen böse Sowjets – wurden sie von den roten Schweinen zum Schweigen gebracht? Ich glaube, jenseits des Großen Teiches trauern sie immer noch der guten alten Zeit nach. Na ja, wir kriegten den Auftrag, und ich besuchte die letzten paar Sitzungen des Untersuchungsausschusses. Traf ein paar ganz interessante Leute. Da war einer, Tony Soundso, der immer roch wie ein Aschenbecher. Letztlich wurde der Film nie gesendet. Wir bekamen unser Geld, aber es fand sich kein Programmplatz.
So weit, so gut. Letztes Jahr ging ich dann einiges altes Material durch, das nie ausgestrahlt wurde. Darunter war auch der Film über die Dunbar, und da begriff ich erst, was für eine interessante kleine Geschichte das war. Nicht der Blödsinn mit dem Kalten Krieg. Aber die Menschen. Ihr Leben. Ihre Geschichten. Langer Rede kurzer Sinn, ich habe ein bisschen recherchiert und festgestellt, dass der Schwarze Winter sich jetzt zum vierzigsten Mal jährt. Vier gesunkene Trawler innerhalb weniger Tage. Schreckliche Sache. Ich bin meine alten Adressbücher durchgegangen und versuchte, einige der Fischer aufzuspüren, die ich während der Untersuchung getroffen hatte. Sie wissen ja, wie das ist. Die Leute ziehen weiter. Und nachdem ich ein bisschen gebuddelt hatte, traf ich auf Russ Chandler. Eher Schriftsteller als Journalist, aber er ist gut. Jedenfalls weiß er Bescheid über die Fischereiindustrie. Er hat mir von Fred Stein erzählt. Dem Mann, der überlebte. Das war wie geschaffen für meine Zwecke. Ein Bericht über den Schwarzen Winter mit aktuellem Bezug. Als wir hörten, dass Fred nie über seine Erlebnisse gesprochen hatte, zückten wir das Scheckbuch. Beauftragten Russ damit, ihn aufzuspüren. Machten ein Angebot, schlossen den Vertrag, und ruck, zuck – schon saßen wir auf einem Containerschiff nach Island.«
McAvoy nickt. Er hört auf, sich Notizen zu machen. Ihm gefällt die Art, wie diese Lady erzählt.
»So weit, so gut. Wir schickten ihm einen Wagen. Arrangierten alles. Erwarteten ihn am Steg, oder wie immer man das Ding nennt. War ein wirklich netter alter Knabe. Steckte voller Geschichten. Ein richtiger Charmeur. Wir wollten während der Reise eine Reihe von Interviews machen, und dann sollte er einen Kranz an der Stelle niederlegen, wo sich der Untergang ereignet hatte. Hätte eine tolle Schlussszene gegeben. Aber während des letzten Interviews wurde er sehr emotional. Ging nach draußen, um frische Luft zu schnappen, und kam nicht zurück. Zwei Tage später, während wir vor Sorge kopfstanden, hörten wir im Radio, dass seine Leiche in einem Rettungsfloß aufgefunden worden war. Er war an Unterkühlung und Rippenverletzungen gestorben …«
Sie hält inne.
»Emotional, sagen Sie. Emotional genug, um sich umzubringen?«
»Auf die Idee wäre ich nicht gekommen. Aber wenn er sein eigenes Rettungsfloß dabeihatte, muss er es ja von Anfang an geplant haben. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass er es an Bord gebracht hätte, und ich habe sogar die Taxigesellschaft angerufen, die ihn zum Dock gefahren hat. Die wissen auch nichts davon. Aber die Leute sind ja so vergesslich. Ein Rettungsfloß ist anscheinend wenig größer als ein mittlerer Koffer. Man klappt es einfach auf, zieht einen Hebel, und schon bläst es sich von selbst auf. Es hat einen starren Boden, es wäre also durchaus möglich, dass er sich beim Aufprall darauf die Rippenverletzungen zugezogen hat. Schwer zu sagen. Um ehrlich zu sein, der Kapitän war von unserer Anwesenheit von Anfang an nicht begeistert, und die meisten Gespräche fanden auf Isländisch statt. Es war ein richtiger Alptraum, herauszubekommen, was eigentlich los war.«
McAvoy nickt. Das passt alles nicht zusammen. »Was glauben Sie denn, was geschehen ist?«
»Ich? Ich denke schon, dass Fred Selbstmord begangen haben könnte. Vielleicht aus Schuldgefühlen, oder einfach,
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