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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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weil er merkte, dass er alt wurde und ihm der richtige Zeitpunkt gekommen schien. Er hatte vierzig geschenkte Jahre, die ihm seinem Gefühl nach nicht zustanden. Vielleicht dachte er, er hätte sie nicht richtig genutzt. Wie auch immer, es ist eine Schande. Aber wenigstens wird man sich an ihn erinnern.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Film. Die Interviews sind erstklassig. Sehr bewegend. Ich schicke Ihnen eine Kopie, wenn es Sie interessiert.«
    McAvoy nickt, bevor ihm klarwird, dass sie ihn ja nicht sehen kann. »Ja, vielen Dank.«
    Sie schweigt einen Moment lang. »Sie sollten vielleicht besser mit Russ sprechen, wenn Sie Genaueres wissen wollen«, sagt sie schließlich. »Er ist der Bluthund, der Fred aufgespürt hat. Kannte die ganze Geschichte in- und auswendig. Er ist ein klasse Schriftsteller, unser Russ. Er fehlt uns.«
    »Warum, wo ist er denn?«
    »Er wollte eigentlich mit auf dem Frachter fahren, aber wir fanden keine Versicherung für ihn.«
    »Warum denn nicht?«
    »Tja, er ist ein bisschen …«
    »Was?«
    Sie lacht unsicher auf, weiß nicht so recht, wie sie sich ausdrücken soll.
    »Daneben«, meint sie. »Er trinkt. Oder nein, Oliver Reed hat getrunken. Amy Winehouse hat getrunken. Russ, der säuft wie ein Loch. So etwas haben Sie noch nicht gesehen. Und dazu raucht er mehr als sechzig Glimmstängel am Tag. Das hat ihn bereits ein Bein gekostet, und das andere ist wahrscheinlich auch bald fällig.«
    »Klingt so, als kennt er sich mit Lastern aus.«
    »Damit schon. Es sind die Stimmen, mit denen Russ nicht zurechtkommt. Er hält sich im Moment in einer Privatklinik in Lincolnshire auf. Irgendwo auf halbem Weg zwischen Trockenlegen und Klapsmühle. Interessanter Bursche, aber sein Leben war eine Achterbahnfahrt. Das hat ihn verbittert, und wer spült den bitteren Geschmack nicht gerne mit Whisky runter? Sie sollten mit ihm reden. Er kann Ihnen mehr über Fred erzählen als jeder andere. Ohne Russ hätten wir ihn bestimmt nicht gefunden. Es ist ein Jammer, dass er sein Honorar in einen Entzug investieren muss.«
    McAvoy sieht sich um. Die Beamten zeichnen Telefonate auf und notieren die Anrufer. Für ihn gibt es hier nichts zu tun. Eine Stimme in ihm schreit, dass er auf etwas Wichtiges gestoßen ist. Dass dieses Gespräch, diese Informationen, etwas zu bedeuten haben.
    Er senkt die Stimme. Schließt die Augen. Bereut seine Entscheidung bereits wieder.
    »Darf er Besuch empfangen?«

Kapitel 11
    15:22   Uhr am Nachmittag. Linwood Manor.
    Tiefstes, finsterstes Lincolnshire.
    Zwei Stunden von daheim.
    Ziemlich nobel, denkt McAvoy, während die Reifen auf dem kiesbedeckten Vorplatz knirschend zum Halten kommen und er an dem imposanten Gebäude aus roten Backsteinen emporblickt. Eine riesige Doppeltür aus Eiche steht offen, dahinter sieht man einen sauber gefliesten Fußboden.
    Ein umgebautes viktorianisches Herrenhaus inmitten von vier Morgen sorgfältig gepflegten, bewaldeten Grundes. McAvoy hatte im ersten Moment gemeint, den falschen Link angeklickt zu haben und bei einem edlen Landgasthaus gelandet zu sein, als er das Labyrinth von Psycho-Websites nach der richtigen Adresse durchforstete.
    Die Klinik wurde von einer internationalen Gesellschaft betrieben, die auf Entziehungskuren, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und Alkoholabhängigkeit spezialisiert war. Auf der Homepage rühmte sie sich einer neunzigprozentigen Erfolgsquote und ließ einen Monat härtesten Entzugs wie einen paradiesischen Urlaubsaufenthalt erscheinen.
    Obwohl es noch früh am Nachmittag ist, verdüstert sich der Himmel, und die grauen, schneegeschwängerten Wolken, die Hull in Kürze erreichen und unbefahrbar machen werden, haben hier bereits ihre Schleusen geöffnet. Große weiße Flocken taumeln wie Konfetti vom Himmel, und McAvoy ist dankbar für seinen knielangen Mantel, während er die Stufen hinauftrottet und sich in Sicherheit bringt. Der Wind zerrt an seinen Hosenbeinen, und er rutscht auf den nassen Fliesen beinahe aus.
    Eine Frau mittleren Alters, mit weißer Bluse und überzeugend schwarz getönten Haaren, sitzt lächelnd an einem Empfangstisch aus Mahagoni. Eine Vase mit Gerbera und Gipskraut steht auf der spiegelblank polierten Oberfläche. Ein Ständer mit Hochglanzbroschüren und Preislisten befindet sich links von der Dame. Es wäre unmöglich, sich einfach ein Informationsblatt zu holen, ohne an ihr vorbeizugehen. Ebenso ausgeschlossen, ihr breites, strahlendes Lächeln nicht mit einem Gruß zu erwidern.

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