Sterbensangst (German Edition)
Alkohol im Blut ins Bett fällt.
Das Handy vibriert in der Tasche ihrer Jeansjacke. Sie entschuldigt sich bei Bob für die Unterbrechung und stellt das Telefon mit großem Getue ab.
»Warum gehst du nicht ran?«, meint Bob. Er kann ein dämliches Grinsen bei dem Gedanken, dass sie den Anruf nur seinetwegen nicht angenommen hat, nicht abstellen.
»Ich unterhalte mich doch gerade mit dir, Bob«, sagt sie, und ihre Körpersprache wird weicher, nachgiebiger. Das Ganze ist ein alter Trick von ihr. Sie stellt die Weckfunktion ihres Handys auf halbstündige Intervalle ein, und dann legt sie einfach auf, wenn jemand die Dreistigkeit hat, ihre Unterhaltung mit dem faszinierendsten Mann der Welt zu stören. Das gibt ihren Gentlemen das Gefühl, sie wären etwas Besonderes.
Aber sie hält auch, was sie verspricht. Nur mit Andeutungen allein kommt sie nicht weiter. Wenn sie meint, ihr Kavalier hätte es verdient, oder wenn sie einfach verdammt schlecht drauf ist und nicht alleine nach Hause gehen will, dann lädt sie ihn zu sich ein. Lässt zu, dass er sie abschlabbert und ihr sein Ding reinsteckt. Erträgt ein paar Minuten lästigen, unbeholfenen Gerammels, die gleichzeitig ihre gerechte Strafe und der Lohn für ihren spendablen Gentleman sind. In letzter Zeit kommt das nicht mehr so häufig vor. Es missfällt ihr zunehmend, andere ihre intimsten Stellen sehen zu lassen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ihr Zuhause mehr und mehr verkommt. Mit der Steigerung ihres Alkoholkonsums hat sich die Vorzeigbarkeit ihrer Wohnung auffällig vermindert, selbst wenn sie nie ein Palast war, auf halber Höhe eines Hochhauses.
»Bist du sicher, dass du nicht mitkommen möchtest?«
»Ein andermal. Du hast ja meine Nummer. Schickt mir später eine SMS, und dann sehen wir weiter.«
Er schenkt ihr ein breites Lächeln. »Wird gemacht.«
»Ich sitze wahrscheinlich ganz einsam und allein daheim.«
»Also, das können wir doch nicht zulassen. Oder?«
»Nein, mein Lieber.«
Er drückt ihr zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Sie spürt seine Stoppeln rau auf der Haut, und sein Schnurrbart kitzelt sie an den Wimpern. Ob er sie wohl da unten schmecken wollen wird, wie diese scheiß modernen Männer es anscheinend immer tun? Ob sein Schnurrbart sie an den Schenkeln kitzeln wird? Ob er es wohl bei eingeschaltetem Licht tun will? Ob er die Narben anspricht?
Langsam und vorsichtig schiebt sie sich von ihrem Barhocker. Bückt sich nach ihren Einkaufstüten. Ein bisschen billiges Bratenfleisch vom Metzger. Etwas Leber. Sechs Brötchen. Eine Flasche Wodka. Zwanzig Richmond Superkings.
»Du willst schon gehen, Angie? Ohne dich wird es langweilig.«
Dean hat inzwischen die Kühlschränke aufgefüllt und steht hinter den Zapfhähnen. Es ist sehr wenig los für die Mittagszeit, und er rechnet nicht damit, dass das Geschäft vor fünf Uhr wieder anzieht. Er bezieht ein festes Gehalt, daher ist er nicht gerade scharf auf großen Andrang, aber die Zeit vergeht schneller, wenn es etwas zu tun gibt. Und der Besitzer sieht ihn immer schief an, wenn die Wocheneinnahmen hinter den Erwartungen zurückbleiben. Um Weihnachten herum ist es besonders schlimm, denn dann haben die Leute, wenn man ihm glauben darf, keinerlei Entschuldigung mehr, sich nicht zu besaufen.
»Ich denke, ich werde ein bisschen die Füße hochlegen«, lächelt sie und fühlt eine angenehm wattige Schwäche in den Beinen. »Habe letzte Nacht eine Miss Marple aufgenommen. Regt die kleinen grauen Zellen an.«
»Viel Spaß, meine Liebe. Du hast es verdient.«
Sie wirft ihm ein echtes Lächeln zu, nicht die Sorte, die sie für ihre Kavaliere reserviert hat. So, wie sie früher ganz spontan lächeln konnte. Jenes flüchtige, fröhliche Lächeln, das sie einst auch dem Mann zugeworfen hatte, der seine Initialen in ihre Vagina ritzte, bevor er ihr ein dreißig Zentimeter langes Brotmesser zwischen die Rippen rammte und sie fickte, während sie blutend auf den Toilettenfliesen eines Pubs lag.
»Morgen schaue ich wahrscheinlich wieder rein«, meint sie. »Arbeitest du da?«
»Das Böse schläft nie.«
Während sie zur Tür geht, schleicht sich ein kalter Luftzug an ihren Beinen hinauf und legt sich auf die Blase. Sie wirft einen Blick zurück zu Dean und kichert. »Die Natur ruft, fürchte ich. Zum ersten Mal heute.«
»Ehrlich, ich weiß auch nicht, wo du das alles hin trinkst«, meint er gutmütig. »Irgendwo unter deinen Vorfahren muss ein Kamel gewesen sein.«
»Ach, du alter
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