Sterbensangst (German Edition)
hält McAvoy den Becher hin, während der die Treppe hinaufspringt und ins Dunkel des Eingangs tritt.
»Möchten Sie einen Schluck?«
McAvoy ist egal, was in dem Becher ist. Er trinkt in großen Schlucken die Flüssigkeit aus, die gleichzeitig kalt und wärmend ist.
»Calvados«, meint Spink und nimmt den Becher zurück.
»Sie sind in Verhörraum drei«, fügt er hinzu. »Wir können unterwegs reden.«
Eine Welle der Wärme spült über sie hinweg, als sie das Gebäude betreten. Die von einem Bewegungsmelder gesteuerte Energiesparbeleuchtung an der Decke erwacht flackernd zum Leben und badet den Korridor in fahles Grün. Um diese Uhrzeit ist das Revier so gut wie verlassen. Die zivilen Mitarbeiter liegen schon lange in ihren warmen Betten, und nur eine Notbesatzung von uniformierten Beamten bewacht den Arresttrakt. Die Streifen und Verkehrspolizisten sind über die ganze Stadt verteilt und haben sich zweifellos mit Thermoskannen voll Tee und einem Imbiss von der Tankstelle irgendwo eingeigelt.
McAvoy will wissen, was zum Teufel eigentlich in den paar Stunden passiert ist, seit er das Bear verlassen hat, aber Spink gibt ihm keine Gelegenheit, danach zu fragen. Leise und hastig berichtet er, während sie an verschlossenen Türen und Pinnwänden vorbeigehen, zugepflastert mit Postern über polizeiliche Initiativen, Dienstplänen und Mitteilungen für die Angestellten. McAvoy hat noch nie erlebt, dass jemand sie liest.
»Pharaoh ist nicht da«, sagt Spink unterdrückt. »Aber sie weiß Bescheid. Spuckt Gift und Galle.«
»Ist sie unterwegs?«
»Kann nicht. Ihr Ehemann ist schwer krank. An den Rollstuhl gefesselt, falls Sie das nicht wissen. Er hat gute und schlechte Tage. Heute ist ein schlechter. Sie versucht, jemanden zu finden, der sich um ihn und die Kinder kümmert, damit sie weg kann. Aber bei dem Wetter bezweifle ich, dass sie es schafft.«
»Die Verhaftung ging also nicht von ihr aus?«
»Machen Sie Witze? Herrgott, sie ist auf hundertachtzig.«
»Sie hat DCI Ray nicht damit beauftragt?«
»Wo denken Sie hin? Der unverschämte Hurensohn hat das hinter ihrem Rücken gedeichselt. Das Problem ist, es macht den Eindruck, als würde er recht behalten. Jedenfalls sehen die Lamettaträger es so.«
»Was?« McAvoy bleibt stocksteif stehen und muss sich dann beeilen, um Spink wieder einzuholen, weil der nicht anhält.
»Hören Sie, ich bin nur ein unbeteiligter Zuschauer, mein Sohn«, sagt Spink kopfschüttelnd und weist dann mit einer Kopfbewegung den Weg, als sie eine Kreuzung erreichen. »Trish ist gut, aber sie hat Feinde. Sie war nie für diesen Job eingeplant. Für jede Frau, die befördert wird, damit wir als fortschrittliche und vernünftige Menschen dastehen – und für jedes Mitglied einer ethnischen Minderheit –, werden zwanzig Idioten alter Schule zu Superintendenten hochkomplimentiert. Wenn Colin Ray mit seinen großen Plattfüßen da in was reingestolpert ist und er es dem Typen tatsächlich anhängen kann, dann wird ihn niemand dafür zusammenstauchen, dass er Trish übergangen hat.«
»Aber das ist doch Unsinn«, wendet McAvoy mit unüberhörbarer Frustration ein. »Chandler kann unmöglich …«
»Hören Sie, ich bin nicht allwissend, mein Junge«, entgegnet Spink und verlangsamt seinen Schritt, während er den Blick tatsächlich mal vom Fußboden hebt und McAvoy in die Augen sieht. »Ich bin Autor. Ein Autor, der zufällig das ein oder andere aufschnappt und heute Nacht gerade eine Tasse Tee mit dem Sergeant vom Dienst trank, als Colin Ray und Shaz Archer einen kleinen Kerl anschleppten, der sein Holzbein in der Hand hielt und verzweifelt nach Ihnen fragte. Ich rief Trish an. Sie sagte, sie würde so schnell wie möglich da sein. Und dass ich Sie sofort informieren sollte. Was ich hiermit getan habe.«
»Sie wollte, dass Sie mich informieren? Warum?«
»Keine Ahnung, mein Junge. Vielleicht wollte sie, dass Sie denen ein paar Wurstbrote streichen.«
Spink will weitergehen, aber McAvoy hält ihn zurück. »Ray muss etwas in der Hand haben. Was ist es?«
Spink blickt sich um, als wollte er sich am liebsten verdrücken, dann ringt er sich zu einer Entscheidung durch.
»Ich weiß nicht, wie viel davon Colin Ray beweisen kann, aber er erzählt herum, dass Sie und Trish es vermasselt hätten. Dass Sie es versäumt hätten, den Hintergrund eines Hauptverdächtigen zu untersuchen. Chandler heißt nämlich gar nicht Chandler. Sondern Albert Jonsson. Unter diesem Namen ist er auch in der
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