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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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Gehalt und tat dann wieder das, was ich am besten kann.«
    »Sie waren gar nicht neugierig?«
    McAvoy sieht im Geiste vor sich, wie Feasby die Handflächen nach oben kehrt. »Ich bin Reporter.«
    »Und?«
    »Und ich glaube wirklich nicht, dass ich Ihnen mehr erzählen sollte, bevor ich gründlich darüber nachgedacht habe.«
    McAvoy schweigt kurz. Er fragt sich, ob der Journalist ihn aushorchen möchte. Ob er eine Exklusivstory im Austausch gegen seine Informationen haben will.
    In seinem Telefonhörer piepst es. Aus einem Impuls heraus schaltet er auf den anderen Anrufer um.
    »Mr McAvoy? Hier spricht Shona Fox vom Hull Royal Infirmary. Wir versuchen seit Stunden, Sie zu erreichen. Es geht um Ihre Frau. Ich fürchte, es gab Komplikationen …«
    Und plötzlich ist alles andere unwichtig.

Kapitel 21
    In den ersten siebenundzwanzig Stunden tat McAvoy kein Auge zu. Aß nichts. Bekam gerade mal zwei Schluck Wasser aus einem milchigen Plastikbecher hinunter, würgte sie aber gleich wieder hervor auf sein stinkendes Rugbyhemd, während ihm Augen und Nase trieften. Draußen verfiel Hull in Kältestarre.
    Die Vorfreude auf ein mögliches weißes Weihnachtsfest wich der Furcht vor den Widrigkeiten des Wetters. Der Schnee landete auf hartem Boden. Fror fest. Fiel weiter. Fror fest. Der Himmel war eine Bleistiftzeichnung in Grau. Die Wolken wirbelten, rollten, kochten, wallten und verklumpten. Wie Schlangen, die sich in einem schwarzen Sack wanden. Die Stadt kam zum Stillstand.
    Später sollte McAvoy seiner Tochter erzählen, dass sie es gewesen war, die den Bann des Winters gebrochen hatte. Dass sich die Wolken erst teilten und der Schnee seinen rastlosen Tanz einstellte, als sie zum ersten Mal die Augen aufschlug. Dass sie es war, die Hull das erste weiße Weihnachten seit einer Generation gekostet hatte. Sie es war, die die Sonne wieder zum Scheinen brachte. Natürlich war das gelogen. Aber es war eine Lüge, die ein Lächeln auf die Lippen seiner Tochter zauberte. Eine Lüge, die es ihm gestattete, die ersten paar Tage ihres Lebens nicht nur als dumpfen Schmerz in Erinnerung zu behalten.
    Er hört eine Bewegung hinter sich.
    Dreht sich um.
    »Leg dich wieder hin …«, beginnt er.
    »Okay, ich bin noch ein bisschen wund, aber wenn du so furchtbar scharf auf mich bist …«, sagt Roisin mit blassem Gesicht und dunklen Augenringen. Sie trägt ein sackartiges gelbes Nachthemd und hat sich mit einem pinkfarbenen Haarband die ungewaschenen, fettigen Haare zurückgebunden. Sie wirkt irgendwie formlos. Er hatte sich schon richtig daran gewöhnt, dass ihr dicker Bauch sich durch die Kleider schob.
    »Roisin.«
    »Ich langweile mich, Aector. Ich will geküsst werden.«
    Er seufzt. Verdreht nachsichtig die Augen.
    »Komm her«, sagt er.
    Mit unsicheren Schritten geht sie auf ihren Ehemann zu, der seinen gewaltigen Körper auf einen orangefarbenen Stuhl mit hoher Lehne geklemmt hat. Er sitzt dem Fenster zugewandt, aber die Vorhänge mit ihren ekelhaften Grün- und Brauntönen sind zugezogen. Sie zuckt zusammen, als sie sich auf seine Knie setzt, dann senkt sie den Kopf und drückt ihre feuchte Stirn in die dichten, wirren roten Locken auf seinem Kopf.
    »Du stinkst«, sagt sie mit einem unterdrückten Lächeln in der Stimme.
    McAvoy schnaubt zum ersten Mal seit Tagen vor Lachen. »Du riechst selber auch nicht gerade wie ein Duftschälchen.«
    Sie hebt den Kopf. Er spürt ihre kleine feuchte Hand an der Wange, während sie sein Kinn anhebt und ihm in die Augen sieht.
    Eine Weile starren sie sich einfach nur an, tausend Worte überflüssig gemacht durch die Tiefe und Zärtlichkeit ihrer Beziehung.
    »Ich hatte solche Angst«, sagt sie. Obwohl sie alleine sind, vertraut sie es ihm nur flüsternd an, als würde sie befürchten, jemand könnte ihr Geständnis gegen sie verwenden.
    »Ich auch«, sagt McAvoy, und seine Beichte scheint sie stärker zu machen. Sie beugt sich vor, und sie küssen sich eine Ewigkeit lang.
    Als sie sich lächelnd wieder trennen, teilen sie einen freudigen, wissenden Blick auf das Fußende des Betts.
    Lilah Roisin McAvoy wurde am 15.   Dezember um 6:03 morgens geboren.
    Roisins Wehen hatten eingesetzt, gleich nachdem McAvoy im ersten Zorn über die Nachricht von Tom Spink aus dem Haus gerannt war. Der fertig gepackte Entbindungskoffer im Minivan donnerte mit ihm zusammen durch den Schneesturm.
    Sie hatte ihn anzurufen versucht. Wollte ihn mit reiner Willenskraft dazu zwingen, ans Telefon zu gehen.

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