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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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Beweise, mein Sohn. Sie widersprechen vielleicht dem, was Sie und ich tief drinnen wissen, und das kann höllisch weh tun. Aber wenn Sie nicht irgendwo einen großen Vorrat an Gerechtigkeitsempfinden versteckt haben und ihn verteilen möchten, dann kann es sein, dass Russ Chandler des Mordes angeklagt und sogar verurteilt wird.«
    McAvoy funkelt ihn an. »Glauben Sie denn, dass er es getan hat?«
    Nachdem er einen Moment lang versucht hat, ihn niederzustarren, wendet Spink den Blick ab. »Es spielt keine Rolle, was ich denke.«
    McAvoy spuckt aus.
    Er rappelt sich hoch. Atmet tief in der kalten, frischen Luft.
    Richtet sich hoch über dem anderen Mann auf.
    »Aber es spielt eine Rolle, was ich denke.«
    Er stößt es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, doch dann beginnt ein Lächeln um seine Mundwinkel zu zucken. Das Hochgefühl der Erkenntnis und Akzeptanz scheint sein Blut zum Sprudeln zu bringen und seinen Kopf mit Endorphinen und Energie zu durchströmen.
    »Es spielt verdammt noch mal eine Rolle!«
    Durch Schnee zu gehen ist eine Kunst. Anfänger bemühen ihre Füße zu sehr. Sie wölben die Sohlen und wühlen sich mit den Zehen ein und gehen nach hundert Schritten in die Knie und massieren sich die verkrampften Waden.
    Andere sind zu vorsichtig, machen lange Schritte und treten auf Stellen, die nach festem Untergrund aussehen. Sie rutschen auf vereistem Beton aus. Fallen auf die Nase, halten sich die angeschlagenen Schienbeine und verstauchen sich den Knöchel in ungeeignetem Schuhwerk.
    McAvoy geht, wie er es gelernt hat. Mit gesenktem Kopf. Hält Ausschau nach Nuancen in der Textur des Schnees. Die Hände an den Seiten herabhängend, jederzeit bereit, vorzuschießen und einen Sturz aufzufangen.
    Er wurde in eine Landschaft hineingeboren, die rauer ist als dieses mit fünfzehn Zentimetern Weiß überzuckerte Mosaik aus gepflegtem Rasen und Straßen. Er wuchs in einem von Spalten zerklüfteten Terrain auf, mit losem Kies und Schiefer; alles acht Monate im Jahr von anhaltendem Schneefall zugedeckt.
    Manchmal denkt er noch an die Geräusche, die die Schafe machten, wenn sie stolperten und sich ein Bein brachen. Erinnert sich auch an die Stille in den Augenblicken, nachdem er sie von ihrem Leiden erlöst hatte. Ihnen die Kehle mit einem Taschenmesser durchschnitt. Ihnen Maul und Nüstern mit einer behandschuhten Hand verschloss.
    Erinnert sich an die Kunstfertigkeit, mit der sein Vater ein Genick brechen konnte. An seine Akzeptanz der Notwendigkeit seines Tuns, gemildert nur durch die eiserne Entschlossenheit, kein Vergnügen daran zu empfinden.
    Erinnert sich auch an die tränennassen Augen, mit denen sein Vater ihn angesehen hat. Die Zärtlichkeit, mit der er das Fell gestreichelt hatte, wie er die Hand an die Nase hielt und den feuchten, moschusartigen Geruch eines Mutterschafs einatmete, das er von Geburt an aufgezogen hatte und dessen Genick er brechen musste, um seinen Schmerz zu beenden.
    In den nassen blauen Augen des Mannes in der Dreifaltigkeitskirche hatte derselbe Ausdruck gelegen. Und in denen des Mannes, der seinen Namen in Angela Martindale ritzte. Der eine halbe Ewigkeit lang weinend über ihr saß, bevor er sich ans Werk machte.
    Von neuer Energie erfüllt, mit rauschendem Blut und wirbelnden Gedanken, erstellt McAvoy das Profil eines Killers.
    »Ist es das, was du tust? Sie von ihrem Elend erlösen? Setzt du ihrem Leiden ein Ende? Möchtest du, dass ich deinem eigenen Leiden ein Ende bereite?«
    McAvoy hält inne. In Gedanken verloren hat er den falschen Weg durch den Park eingeschlagen.
    Sein Telefon beginnt zu klingeln. Nummer unterdrückt.
    »Aector McAvoy«, meldet er sich.
    »Sergeant? Hier spricht Jonathan Feasby. Sie haben um Rückruf gebeten …«
    McAvoy zermartert sich das Hirn. Versucht, ansatzweise Ordnung in die Ereignisse der vergangenen vierundzwanzig Stunden zu bringen. Feasby. Der Reporter vom Independent . Der Bursche, den er wegen der freiwilligen Helferin im Irak angemailt hatte.
    »Mr Feasby, ja. Vielen Dank, dass Sie mich anrufen.«
    »Kein Problem, kein Problem.« Die Stimme klingt unbeschwert. Nach Süden. Ausgesprochen fröhlich, angesichts des Wetters und der Uhrzeit.
    »Mr Feasby, ich bin mit den Ermittlungen im Mordfall Daphne Cotton befasst und glaube, Sie könnten über Informationen verfügen, die uns weiterhelfen.«
    McAvoy hört, wie der Reporter einen überraschten Pfiff ausstößt.
    »Ich? Na ja, gut, wenn Sie meinen. Aber das ist droben in Hull, oder?

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