Sterbensschön: Thriller -
Henrys Genesung?«, hörte er sie fragen.
Er blieb abrupt stehen. Die Hände hatte er in den Taschen. Er drückte die Tabletten gegen seinen Oberschenkel.
»Bestell ihm Grüße von mir«, sagte sie schläfrig. »Es ist schwer für Männer wie ihn, wenn sie ihre Körperkraft verlieren. An deiner Stelle würde ich ein Auge auf ihn haben.«
Archie fuhr herum, nahm die Hände aus den Taschen und trat ans Bett. Sie hatte den Kopf noch abgewandt, und er griff in ihre Haare und machte eine Faust. Er beugte sich zu ihr. Sie wehrte sich, versuchte, sich seinem Griff zu entziehen, er spürte, wie ihre Haare an den Wurzeln rissen und hörte ihr kurzatmiges Keuchen. »Sprich seinen Namen nicht aus«, sagte Archie. Er atmete ihren Geruch wieder ein, es war noch derselbe, aber stärker jetzt, intensiver. Er sah, wie ihr Blick zu seiner linken vorderen Hosentasche ging, und dann blitzte ein Begreifen in ihren Augen auf. Sie wusste, dass er die Tabletten hatte. Sie erkannte die Form oder hatte gesehen, wie er sie befühlte, oder konnte ihn einfach gut genug lesen, um zu erkennen, wenn er schwach war.
Er wartete darauf, dass sie etwas sagte, ihn verhöhnte.
Aber sie blieb stumm und sah zu ihm hinauf, während er sie festhielt.
Archie löste seinen Griff. »Schlaf jetzt«, sagte er. Seine Stimme war heiser. »Dein neuer Doktor soll übrigens ein ziemlicher Hurensohn sein.«
25
Susan hatte alle PDF s ausgedruckt und saß, umgeben von Papieren, im Wohnzimmer. Als sie sie zuerst ausgebreitet hatte, waren sie vom Ventilator in die Küche geweht worden, deshalb hatte sie jetzt jede Seite mit etwas beschwert, was ihr gerade in die Finger gekommen war: eine Kaffeetasse, eine Weihrauchschale, eine kleine Shiva-Statue, ihre Salatschüssel vom Abendessen, die Eiscremeschale vom Dessert und die halbe Tüte Puffreis, die sie als Snack nach dem Dessert hervorgeholt hatte. Die Seiten lagen auf dem Kabeltrommelkaffeetisch, dem Boden, selbst auf dem Sofa. Die Ecken flatterten jedes Mal, wenn der Ventilator vorbeischwenkte.
Bliss war vor Stunden mit einem Heft der Zeitschrift Mother Jones zu Bett gegangen.
Susan dagegen war wie gebannt. Alle PDF s waren Zeitungsartikel über jeweils verschiedene Morde. Alle ungelöst. Die beschriebenen Opfer waren zu Tode gefoltert worden. Und es waren lauter Kinder. Die Morde hatten in einem Zeitraum von sechs Jahren stattgefunden. Und alle in einem anderen Bundesstaat.
Sie hatte die Artikel gelesen und wieder gelesen und keine sichtbare Verbindung zwischen ihnen gefunden, außer der Folter. Also studierte sie alles noch einmal, und diesmal versuchte sie, wie Archie zu denken. Erst als sie die Artikel oft genug aufgenommen und über die Tragik und den Schock hinausgekommen war, begann sie, weitere Ähnlichkeiten zu sehen. Die Kinder waren alle verschwunden und dann innerhalb von vierundzwanzig Stunden tot aufgefunden worden. Keines war sexuell missbraucht worden. Alle waren allein gewesen, als sie geraubt wurden – in einem Schlafzimmer, im Freien unterwegs, in einem Park. Nie gab es Zeugen.
In keiner Geschichte kam jemand namens Ryan Motley vor. Sie recherchierte alle Morde im Internet, las Dutzende zusätzliche Artikel. Sie gab den Namen Ryan Motley im Gespann mit allen Namen und Orten, die in Zusammenhang mit den einzelnen Ermittlungen vorkamen, in Google ein. Nichts. Die Fälle waren alle kalt. Man hatte Bäume zum Andenken in Grundschulen gepflanzt und Eltern Abschlussdiplome ehrenhalber geschenkt. Niemand pflegte die Erinnerungswebseiten im Netz mehr.
Gretchen hatte Archie den USB -Stick gegeben, und er hatte ihn in eine Schublade voller Tipp-Ex gelegt. Er musste seine Gründe gehabt haben. Er musste etwas in den PDF s gesehen haben, das ihn davon überzeugte, dass es sich nicht lohnte, Gretchens Informationen nachzugehen. Susan hatte Ryan Motley nicht ein einziges Mal erwähnt gefunden, und sie war Archie in puncto Internetrecherche weit überlegen. Außerdem hatte Archie Zugang zu den Polizeiakten in allen diesen Fällen, er verfügte über alle möglichen Informationen, die in den Artikeln nicht vorkamen. Und was hatte er gesagt? Dass Ryan Motley ein Produkt von Gretchens Fantasie war.
Was also hatte Gretchen Susan zeigen wollen? Suchen Sie den USB -Stick, hatte sie immer wieder gesagt.
Hätte Gretchen Susan benutzen wollen, um an Archie heranzukommen, hätte sie das große Geständnis nicht gebraucht. Es wäre nicht nötig gewesen, James Beaton oder Ryan Motley zu erwähnen. Aber sie hatte
Weitere Kostenlose Bücher