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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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geschwollenen Knöchel ab. Der Reporter stöhnte auf. »Sieht nicht besonders gut aus. Können Sie laufen?«
    »Ich habe ganz sicher nicht vor, hier neben ihm liegen zu bleiben, wenn Sie das meinen.« Koschnys Kehle fühlte sich merkwürdig eng an. »Ist er wirklich tot?«
    Sven sah ihn an. »Hören Sie, Sie haben nichts falsch gemacht, verstanden? Dieser Mann hätte Sie ohne Zögern erschossen, wenn er Gelegenheit dazu gehabt hätte. Wäre es Ihnen andersherum lieber gewesen?«
    »Sie haben ja recht«, sagte Koschny, »aber ich wollte ihn doch nur … Mein Gott!«
    »Kommen Sie.« Sven wollte Koschny beim Aufstehen helfen, doch der Schmerz in seiner Schulter hinderte ihn daran. Dann sah er das blutige Taschentuch um Koschnys Arm. »Sind Sie verletzt?«
    »Ist nicht weiter tragisch«, meinte Koschny. »Hab mich nur ein bisschen geschnitten.«
    Sofort ließ Sven seinen Arm los und wich zurück.
    »Was ist denn?« Koschny sah verwundert zu ihm auf. »Was haben Sie denn? Ich bin nicht giftig.«
    »Aber ich möglicherweise.« Sven betrachtete die Wunde an seiner Schulter, die mit puderzuckerfeinem weißem Staub bedeckt war. Sie brannte wie Feuer. Und sie blutete immer noch.
    »Warten Sie hier«, sagte er und gab Koschny die Waffe. »Ich bin gleich wieder da.«
    »Hey, Moment mal«, rief Koschny verdutzt. »Wo wollen Sie hin?«
    »Dauert nicht lange. Versprochen.« Sven rannte die Treppe hinunter, durch die Schwingtür und zurück in das Labor. Das Wasser war eiskalt und brannte, als es über seinen Arm in das breite Waschbecken lief und in einem rötlichen Strudel im Ausguss verschwand. Nachdem er sich abgetrocknet hatte, durchsuchte er den Erste-Hilfe-Kasten an der Wand. Ein kleines Päckchen fiel ins Waschbecken. Durch die Verpackung sah er dünnen Latex. Aids-Handschuhe , schoss es ihm durch den Kopf, und sein Magen verkrampfte sich. Einen Moment lang war ihm speiübel. Zitternd kramte er sterile Kompressen aus einem der Behälter und legte sie behutsam über die blutende Stelle. Anschließend wickelte er eine Mullbinde darum und fixierte das Ganze mit Pflasterstreifen. Dann bewegte er den Arm unter Schmerzen vorsichtig ein paarmal auf und ab und prüfte, ob der Verband hielt. Er durfte kein Risiko eingehen, er war zu einer wandelnden Bedrohung geworden. Zu einem Außenseiter , dachte er, und wieder stieg eine Welle der Übelkeit in ihm auf.
    Als er sich zur Tür wandte, sah er das graue Kästchen auf dem ersten der vier Tische liegen. Es war offen, beide Spritzen lagen ordentlich darin. Wieder durchflutete ihn Hoffnung. Sofort versuchte er sie zu unterdrücken, sie nicht zu mächtig werden zu lassen. Trotzdem zögerte er nicht und schob das Kästchen behutsam in die Hosentasche, ehe er wieder auf den Flur hinauseilte.
    »Warten Sie«, sagte Koschny, als sie durch die breite Schiebetür in den Lagerraum traten.
    »Was ist?«
    »Das Licht. Es war an, als ich vorhin weg bin.« Seine Finger ertasteten den Schalter an der Wand. Doch als er ihn betätigte, geschah nichts.
    »Vielleicht nur eine Sicherung«, meinte Sven. »Möglicherweise hat der Alarm irgendwelche Stromkreise blockiert.« Trotzdem fasste seine Hand die Waffe fester.
    »Glauben Sie noch an Zufälle?« Koschny griff nach der Taschenlampe, die er wieder an seinen Gürtel gehängt hatte. »Ich hoffe, das Ding funktioniert noch.« Flackernd malte der schmale Strahl einen schwachen hellen Fleck auf den glatten Betonboden und ließ Scherben und Reste von zerrissenem Klebeband erkennen. »Er ist weg!«
    »Wer?«
    »Staude! Er hat dort gelegen. Wir haben uns geprügelt, und er ist bewusstlos liegen geblieben, genau da. Ich habe ihn mit Klebeband gefesselt und mich dann auf die Suche nach Ihnen gemacht.«
    »Verstehe ich das richtig?«, fragte Sven und betrachtete den Reporter mit schief gelegtem Kopf. »Sie haben den Kerl mit Klebeband gefesselt und ihn dann zwischen all den Scherben hier liegen lassen?«
    »Also gut, ich habe einen Fehler gemacht«, erwiderte Koschny aufgebracht. »Normalerweise muss ich nicht jeden Tag gegen psychopathische Wahnsinnige um mein Leben kämpfen, ok.?«
    Die Taschenlampe ging aus.
    »Schon gut«, beschwichtigte Sven, »jetzt ist es sowieso zu spät. Wir sollten schleunigst von hier verschwinden.«
    »Warten Sie.« Koschny hielt ihn zurück und schüttelte die Taschenlampe heftig, bis sie erneut aufflackerte. Er leuchtete zu dem kleinen Frühstücksraum hinüber. Auf dem Boden vor der Tür waren ein paar Blutstropfen zu sehen.

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