Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
wieder an. Ja, es war eine rote Ampel. Sie fuhren schneller, dann wieder langsamer. Wieder eine rote Ampel? Sie war vielleicht gerade gelb geworden.
»Vorsichtig«, flüsterte eine männliche Stimme.
Es waren also mindestens zwei, von denen der eine den anderen warnte, damit sie nicht angehalten wurden.
Sie fuhren eine Minute lang geradeaus und hielten wieder an. Noch eine Ampel – die dritte bis jetzt. Diane wusste, welche Strecke sie fuhren. Jetzt bogen sie rechts ab, fuhren also in Richtung Museum. Plötzlich bogen sie links ab und hielten an.
Wo waren sie jetzt? Sie versuchte sich zu erinnern, was hier war. Häuser vielleicht?
Sie fuhren wieder an, bogen rechts ab in eine holprige Straße und hielten wieder an. Sie hörte Türen schlagen. Wollte man sie hier lassen?
Diane lag im Lieferwagen und lauschte. Es kam ihr wie Stunden vor. Aus der Ferne hörte sie Straßengeräusche. Sonst nichts. Mühsam richtete sie sich auf, bis sie sich an die Wand lehnen konnte. Sie wünschte, sie wäre noch zur Toilette gegangen, bevor sie das Krankenhaus verließ.
Wer war das? Grayson? Oder der Killer, dessen erstes Opfer als Skelett in ihrem Gewölbe im Lagerraum lag? Oder vielleicht jemand anderes, den sie gründlich verärgert hatte. Vielleicht waren es die Odells. Sie versuchte zu lächeln, aber auch der Gedanke an die Odells vermochte sie nicht aufzuheitern. Bisher hatte sie sich darauf konzentriert, die Strecke im Kopf zu behalten und zu lauschen. Das hatte sie von ihrer Situation abgelenkt. Jetzt spürte sie die Angst in sich aufsteigen. Worauf warteten diese Leute? Sollte das eine Art Folter sein? Wollte man sie durch das Warten mürbe machen? Warten, dass die Zeit verging? Warten auf wen?
Sie bearbeitete ihre Fesseln, aber die saßen sehr fest; dennoch zerrte sie weiter an ihnen. Ihr wurde heiß und schlecht von der Kapuze über ihrem Gesicht. Zentimeter für Zentimeter schob sie sich in die Richtung, in der sie die rückwärtige Tür des Lieferwagens vermutete. Sie hob die Beine, ertastete mit den Füßen den Türgriff und versuchte ihn zu betätigen. Entweder war die Tür abgeschlossen, oder sie war mit ihren Füßen zu ungeschickt. Dann begann sie mit den Füßen so laut wie möglich an die Tür zu schlagen. Nichts rührte sich. Niemand kam, und ihre Beine verkrampften sich.
Okay, sie musste sich etwas anderes einfallen lassen. Sie arbeitete sich in dem Wagen nach vorn bis kurz hinter die Sitze. Sie richtete sich auf, um sich rückwärts zwischen den Sitzen hindurch zum Fahrersitz zu zwängen. Mit den Fingern tastete sie nach dem Zündschloss. Sie fand es, aber der Schlüssel steckte nicht.
Sich windend und drehend versuchte sie, mit dem Kopf die Sonnenblende zu erreichen. Sie fand sie, konnte sie aber nicht greifen. Sie steckte die Nase zwischen Sonnenblende und Wagendecke, konnte die Blende aber nicht bewegen. Sie packte die Kante mit den Zähnen, zog so kräftig sie konnte und wurde mit dem Geräusch herunterfallender Schlüssel belohnt.
Jetzt musste sie die Schlüssel finden. Sie ging in die Hocke und suchte mit dem Gesicht den Sitz ab. Sie sah ihn, aber sie hatte viel zu viel Angst, um sich zu freuen, zumal ihr die ganze Zeit bewusst war, dass man sie durch die Fenster beobachten konnte. Sie richtete sich wieder auf, drehte sich mit dem Rücken zum Fahrersitz, ging in die Hocke und tastete mit den Fingern. Da waren sie … nein, da war er. Gott sei Dank war es nur ein Schlüssel, und sie musste nicht erst den richtigen herausfinden. Mit viel Mühe schaffte sie es, ihn ins Zündschloss zu stecken.
Sie zögerte. Was sollte sie jetzt am besten tun? Sollte sie hinauslaufen und einfach wegrennen, oder sollte sie versuchen, den Wagen zu fahren? Sie entschied sich dafür, im Wagen zu bleiben, und drehte den Schlüssel. Der Motor sprang an.
Sie ergriff den Schalthebel und versuchte, den Rückwärtsgang einzulegen. Der Hebel rührte sich aber nicht. Sie zerrte an ihm herum. Nichts. Was machte sie falsch? Sie stellte sich vor, was sie in ihrem eigenen Auto immer tat. Das Bremspedal. Dieser verdammte Sicherheitsmechanismus. Der Schalthebel ließ sich erst aus der Parkposition schieben, wenn sie auf die Bremse trat.
Ihre Füße waren zusammengebunden, und ihre Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden. Sie konnte sich nicht setzen und gleichzeitig Bremspedal und Schalthebel bedienen.
Sie schob ihre Zehen nach hinten und drückte sich gegen das Lenkrad, bis sie mit den Fersen das Bremspedal erreichte.
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