Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
zu entsorgen«, meinte er noch, während sein bulliger Körper im dichten Unterholz verschwand.
»Vielleicht hast du Recht«, sagte Diane. »Wie geht es Star?«
»Sie ist wütend. Wütend auf die Wärter, die sie fanden, bevor sie tot war, auf die Polizei, weil die sie verhaftet hat und nicht nach den wahren Tätern sucht, auf ihre Eltern, weil sie tot sind, und auf sich selbst, weil sie nicht mit ihnen gestorben ist. Ich glaube, sie hat Angst, dass sie den Kummer, der nach ihrer Wut kommen wird, nicht ertragen kann.«
Diane ging es nun wie jenen Leuten, die von ihrem Kummer wussten. Ihr fiel nichts ein, womit sie Frank trösten konnte. Sie konnte nicht sagen, dass Star darüber wegkommen werde, weil das eine Lüge wäre. Oder dass die Zeit alle Wunden heile – ihre hatte sie bislang nicht geheilt. Sie hatte gelernt, weiterzumachen und Tag für Tag irgendwie über die Runden zu kommen, aber das wäre wohl kaum ein Trost.
»Vielleicht ist diese Wut im Moment gar nicht so schlecht für sie. Sie lässt wenigstens keine anderen Gedanken zu«, sagte sie dann.
»Ich gehe heute Abend ins Krankenhaus. Ich habe sie in den letzten Tagen so oft wie möglich besucht – um ihr zu zeigen, dass sie nicht allein ist. Warum kommst du nicht einfach mit? Du kannst ihr dann erzählen, was du gerade machst.«
Diane zögerte einen Moment. Eigentlich wollte sie niemanden mit einem solch großen Kummer besuchen, wenn sie keinen Trost für ihn hatte, aber am Ende willigte sie doch ein. »Sicher, wenn du glaubst, dass es ihr hilft. Wann musst du eigentlich wieder zurück zur Arbeit?«
»Ende nächster Woche. Meinst du, wir können den Fall bis dahin lösen?«
Diane schenkte ihm ein schwaches Lächeln. »Ich sehe keinen Grund, warum nicht.«
Frank schüttelte den Kopf und zeigte auf die Grube, wo sich die Crew gerade auf die Ausgrabung vorbereitete: »Ich stelle mir immer wieder die Frage: Was ist, wenn das hier überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was George und Louise zugestoßen ist, und wir hier nur unsere Zeit und Energie vergeuden?«
»Auch dieser Fall muss aufgeklärt werden. Und außerdem, kann das wirklich Zufall sein, dass deine Freunde hier einen Knochen finden und eine Woche später ermordet werden? Mein Bauch sagt mir, dass jemand nicht wollte, dass man diesen Platz findet. Hast du mit Leuten gesprochen, denen deine Freunde von dem Knochen erzählt haben könnten?«
»Mit einigen. Aber bisher sieht es so aus, als ob sie mit niemandem darüber gesprochen hätten. Zumindest gibt es niemand zu.«
Sie vereinbarte mit Frank, dass er sie später im Museum abholen solle. Danach ging sie hinüber zu den Ausgräbern. Sie hatten bereits ein Gitternetz aus Stangen und Messschnüren über den ganzen Platz gelegt. Einer von ihnen baute gerade einen Theodoliten auf, um damit die Ausgrabungsstätte zu kartieren. Zwei andere stellten ein großes Sieb auf, um später die kleineren Gegenstände aus der abgegrabenen Erde aussieben zu können. Die übrigen Crewmitglieder kennzeichneten entweder die abseits gelegenen Knochen mit Stangen oder begannen mit der Ausgrabung eines Gitterstreifens. Alles lief wie am Schnürchen; sie schienen sie gar nicht zu brauchen. Diane fand es verlockend, diese Sache, die zu sehr der Ausgrabung eines Massengrabs glich, ihren geübten Händen zu überlassen.
Auf, bringen wir es hinter uns, rief sie sich selbst zur Ordnung und ging neben einer Stelle in die Hocke, an der eindeutig ein Stück Knochen zu erkennen war. Es war eine Zahnreihe, die aussah, also, ob sie von einem Hirsch stammte. Zumindest nicht menschlich; das war gut. Sie nahm ihre Kelle und begann, die Erde von dem Knochen zu entfernen. Nach kurzer Zeit hatte sie einen Hirschschädel freigelegt. Die obere Schädelplatte hatte man durchgesägt, um das Geweih und einen Teil des Schädels zu entfernen. Das war ein Fund, wie er in der Abfallgrube eines Tierpräparators zu erwarten war.
Am Ende dieses Tages hatten sie einen großen Teil der obersten Schicht der Grube abgetragen. Zurück blieb ein wahres Gewirr von freigelegten Tierknochen, deren Umrisse jetzt deutlich zu sehen waren.
»Ich glaube, für heute ist es genug«, sagte Diane, stand auf und betrachtete das getane Werk. »Leute, ihr macht einen richtig guten Job. Und schnell dazu.« Sie ging vorsichtig über die Ausgrabungsstätte und begutachtete die Knochen. Alle, die sie sah, waren tierischen Ursprungs. Es war zwar kein Massengrab, in dem Menschen lagen, aber es war doch eine Stätte
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