Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
konnten zu leicht abhanden kommen.
»Alles in Ordnung.« Er ließ sie eintreten.
Drinnen versuchte Frank gerade herauszufinden, was eigentlich los war. Star und eine Schwesternhilfe sprachen beide zur selben Zeit. Stars schwarze Haare, die auf den Familienfotos noch ganz kurz gewesen waren, reichten ihr nun bis fast auf die Schulter und waren fransig geschnitten. Die beiden blonden Strähnen, die auf dem Bild ihr Gesicht eingerahmt hatten, waren jetzt fuchsienlila und an den Wurzeln bereits herausgewachsen. Selbst jetzt in der Wut war ihr Gesicht so weiß wie das Bettlaken. Tiefe Augenringe ließen ihre dunkelbraunen Augen noch größer erscheinen. Star wirkte in ihrem Krankenhausbett und mit ihren verbundenen Handgelenken klein und Mitleid erregend. Ihre Oberarme waren mit Gurten am Bett festgebunden.
»Ich habe vor über einer Stunde nach der Schwester geklingelt. Sie können mich nicht ans Bett fesseln und mich dann einfach liegen lassen. Ab und zu muss ich auf die Toilette dürfen.«
Die Schwesternhelferin, eine Frau von Mitte vierzig mit einem nicht mehr ganz weißen Schwesternanzug, sah aus, als wolle sie Frank mit Blicken niederzwingen.
Dann wandte sie sich wieder an Star: »Es gibt eine Menge Kranke auf dieser Station. Wir haben nicht die Zeit, alle fünf Minuten bei dir vorbeizukommen.«
»Wäre es nicht einfacher gewesen, sie auf die Toilette gehen zu lassen, als jetzt ihre Bettwäsche zu wechseln?« Frank fiel es sichtlich schwer, ruhig und höflich zu bleiben.
»Sie kann es anhalten, bis wir Zeit für sie haben.«
Der herausfordernde und störrische Zug auf ihrem Gesicht ließ Diane wütend werden. Ihre Aufgabe war es doch, Kranke zu pflegen und zu versorgen, verdammt noch mal. »Ist Ihnen bewusst«, sagte Diane zu ihr, »dass dieses ›Anhalten‹ zu einer schlimmen Blasenentzündung führen kann?«
»Genau das, was sie verdient«, murmelte die Frau so leise, dass Diane es fast nicht mitbekommen hätte.
Frank schoss so plötzlich aus dem Zimmer hinaus, dass selbst Diane erschrak.
Die Pflegerin schaute auf die Tür und danach auf Diane. Mit verkniffenem Mund fragte sie dann: »Wohin geht er denn?«
»Ich nehme an, zur Oberschwester oder zur Krankenhausverwaltung.«
Als die Helferin daraufhin ebenfalls aus dem Zimmer stürmte, rief ihr Diane nach: »Star braucht Hilfe.« Aber die Hilfsschwester drehte sich nicht einmal um.
Als Diane vor die Tür trat, meinte der Polizist, bevor sie selbst etwas sagen konnte: »Ich bewache nur die Tür. Ich wechsle keine Bettpfannen.«
»Natürlich nicht«, sagte Diane mit der sanftesten Stimme, die ihr zur Verfügung stand. »Und das sollen Sie auch nicht. Ich möchte nur, dass Sie die Gurte lösen, damit sie ins Badezimmer gehen und sich sauber machen kann.«
Er seufzte und legte sein Buch wieder unter den Stuhl. Diane sah, dass es ein Western war. Dann ging er ins Zimmer, blieb aber nur so lange, bis er ihre Gurte gelöst hatte. Diane dankte ihm und half Star aus dem Bett. Auf den Laken und der Rückseite ihres Nachthemds war ein großer nasser Fleck zu sehen.
»Also Sie sind Franks Freundin«, sagte Star, als sie ins Badezimmer ging.
»Wir gehen miteinander aus«, antwortete Diane.
»Schlafen Sie auch mit ihm?«
»Das geht dich gar nichts an«, sagte Diane freundlich und hörte, wie Star leise lachte.
»Ich nehme eine Dusche«, sagte sie.
»Werden dann nicht deine Verbände nass?«, fragte Diane.
»Ich drehe nur die Dusche auf und wasche meinen Körper ab. Sie werden dann nicht nass. Nicht dass diese Schlampe die auch noch wechseln muss.«
»Hast du noch ein paar Pyjamas dabei?«
»In der Schrankschublade. Dort liegt auch frische Unterwäsche.«
Diane war froh, dass Star immer noch auf ihre Reinlichkeit und persönliche Würde bedacht war. Verzweifelte Menschen geben bekanntlich als Erstes ihren Stolz auf.
Vielleicht hatte sich Star gar nicht umbringen oder lebensgefährlich verletzen wollen. Vielleicht wollte sie einfach aus dem Gefängnis herauskommen oder Aufmerksamkeit erregen. Allerdings bemerkte Diane, dass ihre Verbände den halben Unterarm bedeckten, ein ernstes Zeichen. Oft schnitten sich potenzielle Selbstmörder ihre Handgelenke der Länge nach entlang der Ader auf, um möglichst schnell zu verbluten. Das galt wohl auch für Star. Sie musste einen ungeheuren emotionalen Schmerz empfinden, um sich so etwas mit einem stumpfen Werkzeug anzutun .
Diane holte einen Pyjama und einen Slip aus dem Schrank und wartete vor der Tür des
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