Sterbliche Hüllen: Thriller (German Edition)
mich, weil ich immer in Schwierigkeiten war und er deshalb das brave Kind in der Familie sein musste. Auch keiner seiner Freunde, die ich kenne, wären um diese Zeit noch draußen gewesen. Aber …«
»Aber was?«, fragte Frank.
»Jay hing gerne mit älteren Jungs herum. Die haben ihn immer sehr beeindruckt. Nun ja, das ist wohl bei allen Jungs so. Vielleicht hatte er Freunde, von denen keiner von uns etwas wusste. Aber ich kenne keine. Er war bei den Pfadfindern, ging in die Schule, die Kirche und spielte Fußball. Dort hatte er auch seine Freunde.«
»Jay hat dir nie anvertraut, mit welchen älteren Jungs er gerne herumhing?«, hakte Frank nach.
»In der letzten Zeit war ich ja viel zu selten daheim, als dass er mir viel hätte anvertrauen können. Er ging gerne jagen und zelten. Solche Sachen. Vielleicht können dir seine Freunde mehr erzählen.«
»Wenn dir noch etwas einfällt, lass es uns wissen«, sagte Frank.
Eine Lautsprecherstimme verkündete das Ende der Besuchszeit. Frank küsste Star zum Abschied auf die Wange, bevor er und Diane aufbrachen.
»Du hast bisher noch nie etwas über die Körpergröße des Täters gesagt«, wunderte sich Frank.
»Das ist mir gerade erst klar geworden. Ich glaube fast, ich lasse nach. Ich erinnere mich, dass ich die Flugbahnbestimmung im Autopsiebericht gelesen habe, und jetzt habe ich plötzlich das Gelände vor mir gesehen, wo man Jays Leichnam fand. Weder Star noch Dean können den Schuss auf Jay abgefeuert haben. Sie sind beide nicht groß genug dafür.«
Sie verließen das Krankenhaus, und Frank fuhr Diane zurück zu ihrem Auto vor dem Museum. Als sie gerade aussteigen wollte, beugte sich Frank zu ihr hinüber und küsste sie. »Ich möchte dich morgen Abend zum Dinner ausführen. Sie werden Star zurück ins Gefängnis bringen. Und außerdem brauchen wir beide mal eine schöne Abwechslung.«
»Das klingt gut. Aber wir sollten erst einmal abwarten, wie es morgen an der Grube weitergeht. Vielleicht lassen wir uns einfach eine Pizza kommen und schauen zusammen Fernsehen oder so etwas Ähnliches.«
Er küsste sie noch einmal. »Das klingt auch gut – vielleicht sogar besser.«
Diane stieg in ihr Auto und fuhr zurück in ihr Apartment. Sie stellte ihren Wagen auf einen Stellplatz direkt vor dem Hauseingang. Beim Aussteigen hatte sie das Gefühl, irgendetwas Wichtiges im Museum versäumt zu haben. Außerdem fragte sie sich, wie sie dem Vorstand dieses neue »Museumsprojekt« erklären sollte. Vielleicht als Öffentlichkeitsarbeit. Der Gedanke ließ sie lächeln. Als sie sich der Außentreppe näherte und ihren Schlüssel herausholte, schlug sie jemand mit voller Wucht in den Magen.
27
D iane fiel zu Boden und schnappte nach Luft. Sie versuchte, sich auf Hände und Knie aufzurichten und gleichzeitig wieder zu Atem zu kommen. Ein schwerer Schuh traf sie mit voller Wucht in die Seite. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihren Körper, und die Gewalt des Tritts warf sie rückwärts vom Gehweg. Hilflos rollte sie einen Grasabhang hinunter in die Dunkelheit. Nichts konnte ihren Sturz aufhalten, bis eine Buschgruppe sie auffing. Mühsam rappelte sie sich wieder auf. Sie wollte schreien, aber kein Ton drang aus ihrer Kehle. Verzweiflung und Angst ergriffen sie, als sie das Geräusch gedämpfter Fußschritte vernahm, die sich in der Dunkelheit auf sie zubewegten. Nur ein einziger Gedanke erfüllte sie in diesem Moment: Sie musste wegrennen, fliehen – nur fort von hier.
Nach zwei Schritten stolperte sie, fiel hin und rollte weiter den Hügel hinunter. Die Schritte kamen immer näher und wurden immer schneller. Wieder kam sie auf die Füße und begann zu laufen. Sie hielt Ausschau nach irgendetwas, das sie als Waffe benutzen konnte, aber in der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Sie versuchte, noch schneller zu rennen – da griff etwas von hinten nach ihren Kleidern und hielt sie fest. Ihre Beine sackten unter ihr zusammen. Ein starker Arm legte sich um ihre Kehle. Sie wollte sich losreißen, trat nach hinten aus und griff nach dem Arm um ihren Hals. Sie merkte, dass ihr Angreifer Handschuhe trug. Mit aller Kraft bog sie einen seiner Finger zurück. Direkt neben ihrem Ohr hörte sie einen gedämpften Schmerzensschrei. Sie versuchte, ihm das Gesicht zu zerkratzen und ihm mit den Fingern in die Augen zu greifen, erwischte aber nur ein Stück Wolle. Sie machte weiter, in der Hoffnung, ihn blenden zu können. Sie trat und kickte ihm in die Beine, während sie sich drehte
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