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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Gruß herüber. Dann verschwindet er im Dunkel. Es sieht wirklich wie ein Rückzug aus.
     
    Zuerst ruft sie nur seinen Namen. Drängend zwar, aber noch leise und ohne Furcht in der Stimme. Noch verrät ihr Ruf nichts von der entsetzlichen Panik, in die die nächsten Sekunden sie stürzen werden.
    Kalo sieht die beiden Spiegelsektionen auseinandertreiben, langsam, wie in einem Alptraum von extremer Zeitdehnung. Er kennt solche entsetzlichen Träume. In seiner Kindheit pflegte ihn häufig eine geträumte Begebenheit zu erschrecken, die sich in gewissen Abständen wiederholte.
    Er besaß einen Flugdrachen, ein phantastisch buntes Monstrum, um das ihn seine Spielkameraden beneideten. Es war ein Drachen, wie ihn die Spielwarenhäuser nicht anboten, es war ein besonderer Drachen, den ihm irgend jemand irgendwann geschenkt hatte. Für den Traum war nicht wichtig, wer ihn gebastelt hatte, es genügt, daß der Drachen vorhanden und Kalo über seinen Besitz glücklich war.
     
    Schon beim ersten Startversuch entführte der Wind sein Spielzeug, trieb es hoch hinaus in den blauen Himmel. Zwar versuchte er den Drachen wieder einzufangen, aber es stellte sich heraus, daß er sich nur noch im Zeitlupentempo zu bewegen vermochte. Trotzdem kam er dem Drachen näher, und so flogen sie beide hoch hinauf und über das Land. Flüsse und Häuser schrumpften unter ihnen zusammen. Und dann plötzlich war Wasser unter ihm, Wasser, so weit er sehen konnte. Jetzt hatte der Drachen all seinen Wert verloren, jetzt ging es um das nackte Leben.
    Von dieser Stelle an wußte Kalo stets, daß das alles nur ein Traum war, was jedoch nicht ausschloß, daß er Todesangst empfand. So zwang er sich mit aller Kraft zu erwachen, und immer gelang es ihm. 
    Es blieb jedesmal ein Gefühl der Trauer über den Verlust, ein wenig gemildert durch das Wissen um die eigene Kraft, der es gelang, den Traum im letzten Augenblick zu besiegen.
    Und so langsam, wie er selbst sich in diesen Träumen bewegte, so langsam treibt der sich zwischen den Spiegelsektionen öffnende Spalt Pela von ihm hinweg.
    Er schwebt nicht weit entfernt von ihr, fünf oder sechs Meter mögen es sein, aber in diesem Moment liegt eine ganze Welt zwischen ihm und ihr. Die Wände des Kokons verschieben sich gegeneinander; bildeten sie eben noch eine Röhre, in deren Mittelachse Pela ohne Mühe aufrecht stehen konnte, so sind sie jetzt, keine Minute später, zu einer schmalen Ellipse geworden.
    Pela wendet ihm ruckartig das Gesicht zu, immer noch ohne Angst in den Augen, schätzt den Abstand bis zu ihm und schiebt sich ab. Wie ein Pfeil schießt sie heran, aber er sieht, daß sie ihn nicht erreichen wird.
    „Das Sicherungsseil!" schreit er.
    Das Seil ringelt sich zuerst in trägen Windungen, dann streckt es sich, wird zu einer straff gespannten Saite, und schon wirbelt Pelas Körper herum, wird zurückgerissen von diesem dünnen Faden, der Sicherheit sein sollte, Leben, Verbindung zu Irdischem. Der rotbraune Skaphander geht unter im blendenden Licht der Sonne, das der Spiegel verschleudert.
    Erst jetzt kommt ihr Schrei, langgezogen und schrill. Das ist nicht mehr Pelas Stimme, diese dunkle und doch stets etwas harte Stimme, das ist ein qualvoller Schrei in höchster Todesnot, ein Schrei ohne jede Artikulation, gewaltsam herausgepreßt aus einem gemarterten Körper.
    Da springt auch Kalo. Er stürzt sich hinein in das aufflammende Licht aus tausend Sonnen, und noch während er sich zum Sprung streckt, erkennt er, daß auch sein Beginnen zwecklos ist, daß auch ihn das Sicherungsseil zurückkatapultieren wird. 
    Der Ruck raubt ihm fast die Besinnung. 
    Und Pela schreit noch immer.
    Kalo prallt gegen die Spiegelsektion, unmittelbar neben dem Punkt, an dem er sein Seil eingehakt hatte. Die Druckluft im Skaphander dämpft zwar den Aufschlag, aber er hat trotzdem das Gefühl, alle Knochen im Leibe zerbrächen ihm.
    Die andere Sektion ist immer noch in unmittelbarer Nähe, der Abstand beträgt auch jetzt noch nicht mehr als sechs Meter, und irgendwo in dem gleißenden Licht dort drüben ist Pela untergetaucht, eigentlich in greifbarer Nähe. Und doch so weit entfernt. 
    Jetzt schweigt Pela.
     
    Von irgendwoher kommen Leute, sie zu orten ist unmöglich, die Tonträger übertragen die Signale richtungsunabhängig. Aikiko und Torre fragen nach dem Grund der Aufregung, aber Kalo antwortet nicht, noch ringt er um Luft und um Fassung.
    Dann drängt eine helle Stimme die anderen zurück, überlagert sie,

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