Stern auf Nullkurs (1979)
Materieflotationen auf den inneren Planeten bestätigen diese Vermutung eindeutig. Die provozierten Taumelbewegungen des sonnennächsten Planeten übertragen sich auf das Zentralgestirn, und zwar wesentlich stärker, als es die bekannten Gesetze kosmischer Dynamik vermuten ließen.
Seit wenigen Zeitgrößen sind alle Sensoren auf die Sonne dieses Systems gerichtet, auf den Stern, der ihre endgültige Heimat werden sollte und den sie nun doch wieder werden verlassen müssen. Meßvakuolen pulsieren, überstark kommen die Angaben herein, aber niemand denkt daran, die Impulsamplituden zu drosseln. Sie zucken zusammen unter der Wucht der Ströme, die sie wie Schläge treffen, aber sie spüren auch, daß der physische Schmerz die Enttäuschung ertragen hilft.
„Schollenriß senkrecht zum Fluchtpunkt."
„Materieumschichtung in der Nähe der Oberfläche."
„Schollenabtrieb."
„Protuberanz."
Sie alle sehen es: Eine der glühenden Schollen, wie sie auf der Oberfläche der fremden Sonne in großer Zahl schwimmen, zerreißt unter dem Druck der aus dem Inneren aufsteigenden Materie, ein ständig breiter werdender Riß zeigt sich, eine auszackende Wunde, hinter der das lodernde Herz des Sternes pulsiert, ein klaffender Schlund, der für Augenblicke die tobenden Energien des Kernmantels ahnen läßt, dann verschwindet die Scholle in einem gigantischen Materieausbruch, in einer Protuberanz, deren feurige Zungen weit hinaus in den schwarzen Abgrund des Kosmos schießen. Wie Fieberschauer läuft es über den Stern dahin, dann sinkt die Säule seitlich in sich zusammen, löst sich auf in einzelne Tropfen von der Größe mittlerer Planetoiden und stürzt zurück in das blasige Feuermeer, die Scholle mit sich in das siedende Innere reißend.
„Scholle integriert."
„Aktive Emission."
Da jagt es heran, ein Strahlensturm, der die Abgründe zwischen der Sonne und den inneren Planeten überspringt, der sich auf die Ebenen des Merkur stürzt, die Nervenleitungen der Geräte und die Ganglien der Kontakter bis an die Schmerzschwelle belastend. Für kurze Zeit bricht jede Kommunikation zusammen, wirft die Einsamkeit ihr schwarzes Tuch über die Astraten, dann ist der Sturm vorbei, rast weiter hinaus in den kosmischen Raum, sich wie ein Fächer ausbreitend.
„Planeten zwei und drei ebenfalls tangiert."
Die Kontakter drosseln die Informationsamplituden. Ist es eine Täuschung, oder drängen sie sich wirklich näher aneinander? Lassen ihre ausdruckslosen Gesichter nicht plötzlich eine Spur von Sorge und Ratlosigkeit erkennen?
„Das war zuviel!" sagt Hisip. „Planet drei sollte nicht behelligt werden."
Aber Domir winkt ab. „Diese Emissionen schaden ihnen weniger als uns. Vielleicht bemerken sie sie nicht einmal."
„Wir sollten sie nicht unterschätzen... Und wir dürfen ihnen keinen Grund geben, uns als Eindringlinge zu betrachten."
„Sie haben auf unsere Vorschläge ohnehin ausweichend reagiert."
„Und wenn sie von vornherein abgelehnt hätten, sie hätten gute Gründe gehabt, wie wir feststellen mußten."
„Du bleibst also bei deiner Meinung, dieses System könne Astrat nicht aufnehmen?"
„Bist du anderer Ansicht als ich?"
Domir blickt sich im Kreise um. Sie alle wissen es längst. Sie haben keine Chance mehr. Das Einsteuern Astrats würde das System aus dem Gleichgewicht bringen und unabsehbare Folgen für die sich auf dem dritten Planeten entwickelnde Zivilisation haben. Selbst eine geringe Veränderung des ökologischen Systems, wie sie durch den Eingriff zu erwarten wäre, könnte zur Stagnation oder gar zum Rückgang der Evolution führen. Nur unter völlig gleichbleibenden Bedingungen kann sich eine Zivilisation entwickeln. Astrat ist das beste Beispiel dafür.
Sie werden ausweichen müssen. Die Katastrophe ist unvermeidlich.
„Auch ich weiß es", bestätigt Domir. „Astrat ist gezwungen, das eingeleitete Manöver fortzusetzen."
„Ausweichmanöver wird fortgesetzt!" wiederholen die Kontakter.
Über der Membran der Beobachtungsvakuole 4 flammt weißleuchtend eine Leiste auf.
„Die fremden Fahrzeuge haben unweit der Station gestoppt." Bedingt durch die Lichtfülle auf dem Planeten, laufen die optischen Daten mit schmerzhaftem Kontrast ein. Graugelbe Staubschwaden umfließen die fremden Geräte in konzentrischen Ringen. Die Bewegungslosigkeit der Maschinen erinnert an die Starre toter Materie, kein Fünkchen von Leben scheint mehr in ihnen zu sein.
Es sind wunderliche
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