Stern der Leidenschaft
»Sie wissen schon, das schreckliche Gefühl, von einer Meute eingeschlossen zu sein und sich nicht mehr rühren zu können – ach, vergessen Sie es einfach. Ich habe geglaubt, Sie brauchten meine Hilfe. Aber offensichtlich habe ich mich getäuscht.« Er legte den Kopf etwas schräg und schien einen Augenblick lang auf die Musik zu lauschen, die aus seinem Ohrstöpsel kam, bevor er antwortete: »Ah, Sie haben mir Hilfe geleistet. Verstehe nun und entbiete Ihnen meinen Dank.«
Dabei lächelte er sie strahlend an, und Brittany fragte sich, ob es wohl gestattet war, mitten im Einkaufszentrum einen Ohnmachtsanfall zu erleiden. Großer Gott im Himmel, schnell, finde etwas, was dich an ihm stört, Mädchen! Sonst verliebst du dich Hals über Kopf. Ganz entspannt stand er nun da. Das Lächeln, das seine ohnehin schon ungeheure Anziehungskraft nahezu verdoppelte, umspielte noch immer seine Lippen. Und den bernsteinfarbenen Augen schien zu gefallen, was sie sahen. Als Brittany das bewusst wurde, geriet sie völlig aus dem Häuschen. Sie wusste, dass sie – abgesehen von ihrer Körperlänge – ganz gut aussah. Die Unzahl von Männern, die trotz ihrer Größe mit ihr ausgehen wollten, und ein gelegentlicher Blick in den Spiegel bestätigten ihr das.
Sie war schlank und hatte volle Brüste. Ihre meergrünen Augen wirkten je nach ihrer inneren Verfassung geheimnisvoll dunkel oder kristallklar. Und ihr Haar, das sie von ihrem Großvater geerbt hatte, wellte sich in einer wilden, kupferroten Mähne, deren ungewöhnliche Farbe kein noch so begabter Friseur nachahmen konnte. Feine und zugleich markante Züge verliehen ihr zudem eine Ausstrahlung, die gemeinhin als überwältigend galt. Selbst hätte Brittany sich nie so beschrieben, doch sie war froh und glücklich, über einige Vorzüge zu verfügen, die die überschüssigen fünfzehn bis zwanzig Zentimeter Körperlänge wenigstens einigermaßen wettmachten.
Nun standen sie da und starrten einander an, anstatt zu reden oder zumindest die üblichen Banalitäten auszutauschen, die bei einem ersten Zusammentreffen unvermeidbar waren – Name, Beruf, Anzahl der Kinder, die man sich wünschte, und dergleichen mehr. Da der große Fremde keinerlei Anstalten machte, ein Gespräch in Gang zu bringen, musste Brittany wohl oder übel selbst den Anfang machen. Allerdings hatte sie darin nicht viel Erfahrung, denn amerikanische Männer beherrschten die Kunst des unverbindlichen Geplauders am Anfang einer Bekanntschaft bis zur Vollkommenheit. Doch Brittany blieb keine andere Wahl. Entweder sie ergriff die Initiative oder sie verspielte ihre Chance und ließ dieses Prachtstück aus ihrem Leben gehen. Und das kam überhaupt nicht in Frage. Sie beschloss, einfach die übliche Liste Schritt für Schritt abzuhaken, und begann: »Ich bin Brittany Callaghan. Und Sie sind?« »Sha-Ka’ani.« »Wie bitte?«
Er musste versehentlich an den Lautstärkeregler seines Radios gekommen sein, denn nun hörte sogar Brittany ein blechern klingendes Kreischen, das aus seinem Ohrstöpsel drang und ihn zusammenzucken ließ. Er riss sich die kleine Vorrichtung aus dem Ohr, starrte einen Moment lang finster darauf und setzte den Stöpsel dann wieder ein.
»Nun verstehe ich. Sie wünschten, meinen Namen in Erfahrung zu bringen. Ich bin Dalden Ly-San-Ter.« Brittany musste grinsen. »Lassen Sie mich raten. Das Ding da ist gar kein Radio, sondern eine Art tragbarer Sprachtrainer.«
»Das Gerät unterstützt mich in der Tat dabei, Ihre Sprache zu verstehen. Ich habe sie soeben erst gelernt.«
»Soeben gelernt? Dafür sprechen Sie unsere Sprache aber erstaunlich gut.«
»Dennoch entzieht sich mir die Bedeutung mancher Worte. Gewisse Begriffe bedürfen der Erklärung.« »Oh ja. Wenn wir anstatt des eigentlichen Wortes für eine Sache Markennamen benutzen, bekommen Sie bestimmt Probleme. Und Vornamen wie der meine, die man mit der Bezeichnung für ein Land verwechseln kann, sorgen sicher auch für Verwirrung.« Brittany riet erneut wild drauflos, denn sie wollte zum nächsten Punkt auf ihrer Liste kommen. »Sie haben wohl gerade einen Vertrag als Basketballspieler unterschrieben.« Ein verdutzter Gesichtsausdruck antwortete ihr. »Ach herrje! Wenn Sie dieses Wort nicht kennen, werden Sie wohl kaum ein Profispieler sein. Obwohl die Talent-Scouts Sie sicher bald aufspüren, wenn Sie nur lange genug hier im Land bleiben. Entschuldigen Sie bitte meine übereilten Schlüsse. Aber wir begegnen hier nicht jeden Tag
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