Stern der Leidenschaft
gerechnet. Aber schon nach wenigen Minuten stellte Brittany fest, dass seine Rede sich kaum von dem unterschied, was sie bereits aus den Nachrichten erfahren hatte. In der kurzen Pause zwischen ihrer Tagesarbeit und ihrem Abendjob fuhr sie oft nach Hause, aß dort etwas oder erledigte ein paar Dinge im Haushalt, die nicht bis Sonntag warten konnten. Dabei schaltete sie gern den örtlichen Radiosender ein. Um spätestens neunzehn Uhr wurde sie dann im Fitnesscenter erwartet, wo sie für gewöhnlich bis zehn Uhr abends im Einsatz war. Danach reichte es gerade noch für eine kurze Dusche, bevor Brittany erschöpft ins Bett fiel. Sie wollte sich gerade am Rand der Zuhörerschaft entlang zu ihrem bevorzugten Jeansladen durcharbeiten, als sie ihn sah. Sie konnte ihre Augen erst nach ein paar Sekunden wieder losreißen und stolperte so beinahe über eine andere Frau. Erstaunt wie sie war, vergaß sie sogar, sich zu entschuldigen. Noch nie hatte sie einen so großen Mann gesehen. Warum entdeckte sie ihn erst jetzt, wo ein derart hoch gewachsener Mann mitten in einer Menschenansammlung doch unwillkürlich jede Menge Aufsehen erregte? Er war beim besten Willen nicht zu übersehen, überragte er doch den Rest des Publikums beinahe um Haupteslänge. Vielleicht hatte er ja gesessen und war gerade erst aufgestanden. Möglicherweise standen irgendwo in dem Gedränge ein paar vereinzelte Stühle. Oder war er am Ende nur auf einen davon gestiegen? Nein, dann müsste sie seine Taille sehen. Doch Brittany sah lediglich unerhört breite Schultern, auf die eine goldene Haarmähne herabfiel. Brittanys Neugier war geweckt. So schnell es nur ging, schob sie sich durch die Ausläufer der Menschentraube näher in Richtung Bühne, um einen Blick auf das Gesicht des Fremden zu erhaschen. Brittany merkte gar nicht, dass sie vor lauter Anspannung den Atem anhielt. Erst als sie eine Stelle erreicht hatte, von der aus sie den Mann genauer unter die Lupe nehmen konnte, entwich die Luft mit einem langen Seufzer aus ihrer Lunge. Ihre Spannung kam nicht von ungefähr, denn nur allzu häufig waren die Männer, die ihre Aufmerksamkeit erregten, zwar groß, aber leider nicht besonders ansehnlich. Nur wenige hatte sie bislang wirklich anziehend gefunden, und nur bei einem einzigen war sie nahe daran gewesen, ihr Herz zu verlieren.
Thomas Johnson würde sie nie vergessen. Er war der lebende Beweis dafür, wie schwierig oder gar unmöglich es für sie sein würde, jemals den richtigen Mann zu finden. Diese Erkenntnis traf Brittany tiefer, als sie wahrhaben wollte. Sie war sich bei Tom so sicher gewesen. Ihr Instinkt hatte ihr gesagt, er sei der Mann fürs Leben. Sie war sogar bereit gewesen, ihm all das zu geben, was sie noch niemals mit einem Mann geteilt hatte. Nun konnte sie dankbar sein, dass es nicht zum Äußersten gekommen war, bevor sie erfahren hatte, dass ihre Körpergröße selbst für Tom ein Hindernis darstellte. Sie war einen halben Kopf kleiner als er, und selbst das war in seinen Augen noch zu groß. Dieser Blödmann war wahrscheinlich verrückt auf Zwerge, hatte sie wütend gedacht und ihm die Tür gewiesen.
Aber der große Unbekannte inmitten dieses Meeres von Köpfen, die ihm gerade bis zur Schulter reichten, sah einfach blendend aus. Brittany fühlte sich sofort zu ihm hingezogen, doch gleichzeitig schrillten tausend Alarmglocken in ihrem Kopf. Wer so gut aussah, konnte unmöglich auch einen guten Charakter haben. Sicher stimmte mit diesem Mann irgendetwas nicht. Ihre inneren Instinkte mochten sich noch so sehr gegen diese negativen Gedanken wehren, doch nach der Enttäuschung mit Tom traute Brittany ihren eigenen Gefühlen nicht mehr. Der Mann in der Menge war ja auch viel zu jung für sie. Obwohl er eigentlich gar nicht so jung aussah. So große Männer wirkten selten richtig jung. Und spielte das Alter zweier Menschen heutzutage wirklich noch eine entscheidende Rolle, wenn sie das Gefühl hatten, zueinander zu gehören, und dieselben Interessen teilten?
Eigentlich hätte Brittany diese Erkenntnis auch auf die Körpergröße von Liebenden übertragen können. Doch bei diesem Thema sah sie inzwischen rot. Wenn aber der Fremde nun tatsächlich zu jung für sie war, dann musste sie sich dringend irgendwo hinsetzen und sich darauf konzentrieren, ihren Puls wieder auf eine normale Frequenz zu bringen. Im Augenblick trommelte er ihr nämlich wie der Hufschlag galoppierender Pferde in den Ohren.
Der Mann folgte der Rede des Bürgermeisters
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