Stern ohne Himmel
nicht zu unterscheiden, ob Verachtung oder Enttäuschung hinter seinen Worten steckte. »Ihr verdient es ja nicht anders.«
»Willi«, Antek rüttelte an der Lattentür, »schließ auf und mach keine Dummheiten!«
Willi schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »jetzt macht ihr mir nichts mehr vor. Du hast gelogen. Ihr alle habt mir was einreden wollen. Aber ihr steckt mit dem Juden unter einer Decke. Im Waschraum hast du mich seinetwegen geschlagen«, er schluckte, »und ich hab dir geglaubt und gedacht, wir wären Freunde!«
»Hör auf, du Idiot«, fuhr Paule wütend dazwischen, »und spar dir dein sentimentales Gewäsch. Schließ auf, damit die Sache in Ordnung kommt!«
»Die Sache kommt in Ordnung, viel schneller, als ihr denkt.« Willi drückte sein Gesicht an die Latten. »Ich werd euch alle einsperren lassen«, flüsterte er, »und du, Paule, wirst mir für den Nagel doppelt büßen. Glaub nicht, dass ich das vergessen habe.«
»Du willst uns mit anzeigen?«, rief Zick und presste seine Hände vor den Mund.
Willi wog den Schlüssel in der Hand. Dann verschwand er.
»Er läuft fort!« Zick trat gegen die Latten.
»Er hat uns eingeschlossen. Das kann er doch nicht ernst meinen!«
Zick rannte im Keller hin und her, bis Antek ihm beruhigend seinen Arm um die Schulter legte.
»Doch, das kann er, Zick!« Antek sah über Zicks Kopf hinweg zu Abiram, »genauso, wie wir den Juden eingesperrt haben.«
Antek wandte sich zu Paule, der Zicks Verzweiflung beobachtet hatte.
»Siehst du jetzt noch einen Unterschied zwischen Abiram und uns?«, fragte er.
»Ja, seh ich!« Paule tänzelte kichernd um die drei herum. Er kostete den Augenblick bis zum Letzten aus. »Es gibt zwar keinen Unterschied zwischen dir, Abiram und Zick«, er tippte jedem mit theatralischer Geste auf die Schulter, »aber es gibt einen Unterschied zwischen euch und Paule!«
»Er ist übergeschnappt«, seufzte Antek.
»Wenn wir uns alle zusammen gegen die Tür werfen, haben wir vielleicht Glück«, schlug Abiram vor.
Paules Augen leuchteten vor Vergnügen. »Wollt ihr nicht den Unterschied wissen?«
»Mensch, hör auf«, sagte Antek.
Da hielt ihm Paule einen funkelnagelneuen Schlüssel vor die Nase.
»Auch mal riechen?«, fragte er jetzt Abiram, lachte und klopfte ihm fröhlich auf die Schulter.
»Na, sag selber, ist das ein Unterschied?«
Abiram sah ihn fassungslos an.
Paule steckte den Schlüssel in das Schloss, ließ die Tür weit zurückspringen und verbeugte sich mit der Vollendung eines Dieners. »Bitte schön, vielleicht wollen der Herr ein wenig Freiheit?«
»Paule«, lachte Antek, »wie hast du das bloß gemacht?«
Er wusste nicht, ob er dem Freund um den Hals fallen sollte. Auf alle Fälle stieß er ihn kräftig in die Seite. Zick legte seinen Arm um Paule und hopste mit ihm herum. Paule griff nach Antek und der nach Abiram. Sie schlugen sich gegenseitig auf die Schultern und boxten sich, bis sie ganz erschöpft waren.
»Wo hast du denn den Schlüssel her?«, fragte Zick, noch ganz außer Atem.
»Später«, winkte Antek ab, »jetzt müssen wir hier raus, Willi kann jeden Augenblick wiederkommen.«
Paule war enttäuscht. Er wollte gerade einen Beweis seiner Gerissenheit geben. Aber Antek hatte Recht.
»Jeder nimmt so viel von dem Zeug hier mit, wie er tragen kann. Damit wir für Abiram eine Reserve haben.«
»Wo soll er denn hin?«, wollte Zick wissen.
»Weiß ich nicht, jedenfalls hier raus!« Anteks Blick fiel zufällig auf den Uniformrock. Er hob ihn auf und klopfte ihn ab.
Alle verstummten.
»Ja, die Jacke …«, sagte Abiram unsicher. Das Mädchen durfte er nicht verraten.
»Hat Ruth sie dir gebracht?«, fragte Antek stockend. »Es ist anständig von dir, dass du sie nicht verraten willst. Das kann dich unter Umständen die Freiheit kosten, vielleicht mehr.«
»Ja«, sagte Abiram.
Antek nickte und gab Abiram den Uniformrock zurück. »Uns kannst du es ruhig erzählen. Du siehst ja, dass wir dir helfen wollen.«
Paule grunzte. Abiram konnte daraus weder eine Zustimmung noch eine Ablehnung erkennen. Er traute keinem und schwieg beharrlich weiter.
»Also gut«, sagte Antek, »wenn dir das noch nicht genügt, wir – ich meine, Ruth und ich -«, er machte eine winzige Pause und begann zu lügen, »wir hatten nämlich ausgemacht, dass sie dir helfen sollte, hier herauszukommen. Wegen Willi mussten wir das so drehen. Kapierst du jetzt?«
»Das hast du mit Ruth ausgemacht?«, staunte Zick.
»Quatsch nicht
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