Stern ohne Himmel
Zugang zu Abiram verwehrt hatte, schnell zur Seite.
Antek räumte die letzten Hindernisse, die sie vor die Eisentür geschoben hatten, fort. Endlich lag der schmale Gang vor ihnen, der zur Speisekammer führte. Paule ging dicht hinter Willi. Der Lichtschein seiner Taschenlampe zuckte unruhig über die Wände.
»Leuchte doch auf den Boden, man fällt ja hin!«, schimpfte Willi.
Gehorsam drehte Paule die Lampe nach unten und Willi tastete sich, so schnell es ging, vorwärts. Plötzlich blieb Paule stehen und hielt Willi zurück. Sie waren am Ende des Ganges angelangt. Links konnten sie bereits die Latten des Verschlages erkennen.
»Seht mal da!«, flüsterte Paule. Alle vier sahen gleichzeitig die im gelblichen Licht glänzenden Salamiwürste. Sie lagen ein paar Meter vor ihnen mitten im Gang, als hätte sie jemand auf der Flucht verloren.
»Verflucht, jetzt ist er weg«, schrie Willi. Mit einem Satz war er an der Lattentür. Er zerrte den Schlüssel aus der Tasche. »Ihr Idioten, ihr saublöden! Nur euretwegen ist mir der Jude durch die Finger gegangen. Wegen dem Weibergewäsch und Anteks Fimmel, den Gerechten spielen zu wollen. Da habt ihr nun die Bescherung! Die Speisekammer hat er uns auch noch ausgeräubert, dieses Schwein!«
Willi rüttelte an der Lattentür, aber die war zu. In seinem Zorn dachte er gar nicht darüber nach, wie denn der Jude hätte herauskommen sollen, solange die Tür versperrt war. Er fingerte wild an dem Schloss herum, bis die Tür aufflog. Paule, dem sofort klar war, dass Abiram noch in der Speisekammer sein musste, hatte blitzschnell den Raum abgeleuchtet. Ihm war die Gestalt auf der Kiste nicht entgangen. In der Hoffnung, Willi einen Schreck zu versetzen, schwieg er. Auch Antek und Zick hatten Abiram noch nicht erspäht.
»Na, was hab ich euch gesagt! Weg, einfach weg«, schnaubte Willi. Er suchte nach Paule. »Komm mit deiner Funzel her!«
Paule kam nicht. Er blieb an der Tür stehen, um so die Situation besser übersehen zu können.
»Was brüllst du so albern«, sagte Antek ärgerlich, denn er hatte Ruth im Verdacht. »Schließlich haben wir ihn eingesperrt. Ist doch klar, dass er versucht hat abzuhauen. Hätte ich auch getan.«
»Was? Du vergleichst dich mit einem Juden?«
»Hör mit deiner Quatscherei auf, Willi!«
Willi hörte nicht auf. »Wenn ich diesen Kerl in die Finger bekomme, dann …« Er wusste so schnell keine Strafe, die ihm schlimm genug für Abiram erschien. Er drehte sich hastig um. Sein ausgestreckter Arm schlug gegen etwas Weiches, Warmes. Er schrie vor Entsetzen auf. Zick jagte sofort bis zur Tür. Paule kicherte vor sich hin und hielt die Lampe so, dass alle Abiram sehen konnten.
»Ich weiß nicht, was hier noch komisch sein soll!«, fuhr Willi Paule an.
»Ach, du verstehst auch gar keinen Spaß«, sagte der und zündete die Kerzen an, die er neben Abiram auf der Kiste fand.
»Seht euch doch bloß mal Willi an, der kriegt kein Wort raus.«
»Abiram auch nicht«, sagte Antek, »wirklich sehr lustig.«
Zick kam langsam aus dem Gang zurück. Er hatte die Salamiwürste in den Händen und legte sie zu Abiram auf die Kiste. »Warum hast du die denn rausgeschmissen?«, fragte er.
Abiram gab keine Antwort. Er versuchte, jeden Winkel zu durchforschen, ob nicht Ruth vielleicht doch irgendwo auftauchen würde. Er fühlte die wachsende Gefahr durch ihre Abwesenheit, Willi hatte sich mit seinen Drohungen verraten.
»Du hast überhaupt nichts zu fragen, Zick«, herrschte Antek den Kleinen an.
Er schob ein leeres Bord heran, das niedrig genug war, um als Bank zu dienen. Willi setzte sich auf die äußerste Kante.
Paule hatte den Juden eher gesehen als er. Vor diesem Minderwertigen hatte der Freund seinen Scherz mit ihm getrieben, um ihn, Willi, lächerlich zu machen.
Antek holte Kerzen aus der Tasche. Er musste sie im Alumnat organisiert haben. »Steh auf«, sagte er zu Abiram. Die Kerzen gaben helles Licht.
Abiram machte keine Anstalten, sich zu erheben. Er wusste, welches Risiko es bedeutete, wenn er von der Kiste aufstand, in der er den Uniformrock versteckt hatte. Instinktiv fühlte er, dass Antek der einzige unter den Jungen war, der ihm nicht nur Hass entgegenbrachte. Trotzdem zögerte er. »Steh auf«, wiederholte Antek sachlich, »und stell dich dort hin!«
Er wies auf die Lattenwand neben der Tür. Willi schloss diese wortlos ab und setzte sich wieder.
»Wenn du willst, dass wir dich anständig behandeln, dann tu gefälligst, was ich dir
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