Stern ohne Himmel
Hosen und riss das Fenster auf. »Schlagt mir noch die Tür ein! Ihr werdet es wohl erwarten, bis ich runterkomme!«
Groß war sein Erstaunen, als er einen einzelnen Jungen vorfand, dem Krach nach hatte er ein halbes Regiment erwartet.
»Blockleiter Feller, ich möchte eine Meldung machen!«
»Ja, du Bengel, du verfluchter, wo kommst du denn her? Bist du nicht einer vom Alumnat?«
»Ja, aber das hat mit dem, was ich Ihnen zu melden habe, nichts zu tun.«
»Willst du deine Meldung nicht lieber Rektor Jähde machen?«, fragte Blockleiter Feller und geriet in Zorn über die Frechheit, aus dem Schlaf geholt worden zu sein.
»Wollen Sie damit sagen, Herr Feller«, antwortete Willi, »dass Sie sich in diesen ernsten Zeiten weigern, nachts die Meldung eines Hitlerjungen entgegenzunehmen?«
»Na na«, sagte Feller begütigend, »du hast es ja mächtig wichtig.«
Er ließ Willi herein.
»Also?«, fragte er.
Der Aufzug des Blockleiters erschien Willi nicht sehr würdig. Die Hose war halb zugeknöpft und das Nachthemd hing über den Bund. Das unrasierte Gesicht war vom Schlaf verschwollen und die Haare hatten sich in lächerlichen Borsten vom Hinterkopf nach vorn gelegt. Die Hände mit den kurzen Fingernägeln hatte der Blockleiter über dem Bauch gefaltet. In der Stube roch es nach kalten Kartoffeln und Tabak.
»Vielleicht fängst du bald an!«
»Ich habe einen flüchtig gewordenen Juden gestellt!«
»Was hast du?« Feller hielt den Kopf seitlich, eine Hand am Ohr, als wenn er dadurch Willis Nachricht besser hören könne. In seiner Verblüffung wirkte er töricht. Er räusperte sich.
»Es handelt sich um einen sechzehnjährigen Jungen, der im Besitz einer deutschen Wehrmachtsuniform ist und damit im Verdacht steht, ein Spion zu sein.«
Der Blockleiter lachte. Er nahm Willi nicht ernst. Das Ganze klang eher nach einem Dumme-Jungen-Streich. Ein Jude in Uniform, und dann noch von einem Alumnatsschüler entdeckt – das schien Blockleiter Feller sehr komisch.
»Sag mal, Junge, das glaubst du doch selber nicht!«, sagte er und wusste nicht recht, was er mit Willi machen sollte.
»Den Juden habe ich mit seiner Uniform in einen Keller eingesperrt. Hier ist der Schlüssel.«
»Und wo?«
»In einem Ruinenkeller der Schillerstraße.«
Willi konnte seinen Zorn über den lachenden Feller kaum verbergen. »Wenn Sie nicht mitkommen wollen und sich widersetzen, die Sache in die Hand zu nehmen, dann geh ich zu Kreisleiter Hoffmann!«
»Halt’s Maul! Wer sagt, dass ich nicht mitkomme«, knurrte Feller. Er stieß unwillig die Tür zum Schlafzimmer auf und schrie: »Mama, bring mir meine Uniform!«
Dann hielt er seinen feisten Nacken unter den Hahn und ließ das kalte Wasser über Kopf und Genick laufen.
»Wenn du gelogen hast, mein Lieber«, er blies schnaubend die Tropfen aus den Nasenlöchern, »dann kannst du aber Blockleiter Feller kennen lernen. Spaßen lass ich mit mir nicht!«
Willi hatte dafür nur ein Lächeln.
Eine rundliche Frau mit einer kurzen Nachtjacke über dem Flanellnachthemd kam mit Fellers Uniform.
»Was ist denn schon wieder los? Nicht mal in der Nacht hat der Mensch Ruhe!«
Sie musterte Willi misstrauisch.
»Das verstehst du nicht, Mama«, sagte Feller. Er zog die braunen Breeches, die ihm sein Weib geduldig hinhielt, an.
»Eventuell Spionagefall«, ergänzte er.
Plötzlich wurde Willi klar, dass er die Freunde mit keinem Wort erwähnt hatte. Wenn Feller sie jetzt im Keller entdeckte – wie sollte er ihr Vorhandensein erklären? »Spionagefall«, hatte Feller mit Entschiedenheit gesagt. Wenn die Freunde mit dem Juden verhaftet würden, könnte es übel für sie ausgehen. Willi ging nachdenklich auf und ab.
Eigentlich müsste der Denkzettel, den er den Freunden gegeben hatte, als er sie mit dem Juden einschloss, genügen, um sie zur Vernunft zu bringen. Jetzt musste ein Ausweg gefunden werden.
»Gehen wir«, sagte der Blockleiter.
Den Weg zur Ruine legte Willi schweigsam zurück. Er gab dem Blockleiter kaum Auskunft.
»Überzeugen Sie sich selbst. Verhören Sie den Juden. Meine Aufgabe ist es nur, Ihnen die Angelegenheit zu melden.«
»Und wie bist du in den Keller gekommen?«
»Ich bin dem Juden nachgelaufen. Er hat sich dort versteckt.« Sie durchquerten das Stadttor. Willi wusste immer noch nicht, wie er die Freunde heraushalten sollte. Plötzlich war er sehr müde. Er sehnte sich nach seinem Bett und danach, dass die Sache mit dem Juden nur ein Traum sei.
»Was war das?« Der
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