Stern ohne Himmel
Lebensmittel mit dem Juden zu tun? Oder wollte Feller etwa selber …
»Warum vernünftig?«, fragte Willi lauernd.
»Du hast mich in meiner Eigenschaft als Blockleiter nachweisbar belogen und mich in der Nacht hierher geholt. Hast du auch gewusst, dass hier Lebensmittel waren?«
»Nein«, log Willi.
»Das ist das Einzige, was ich dir glaube. So dumm könntest du gar nicht sein.« Feller lachte. »Dann hättest du sie wohl selber gefressen!«
Willi wollte antworten.
»Los, pack dir die Arme voll, so viel du tragen kannst.« Der Blockleiter nahm die Speckseite vom Nagel.
»Ich lass den Rest morgen von der Volksküche abholen«, sagte er und der Geruch des Geräucherten stieg ihm wohlig in die Nase.
Abiram und die drei Freunde hatten den Keller verlassen. Antek kam auf den Gedanken, Abiram vorläufig in einem der kleinen Türme des Stadttors zu verstecken. Dort war es zwar eng, aber zur Not konnte er dort schlafen. Eine winzige Wendeltreppe führte zu dem kleinen Rund, das sich oberhalb des Wehrgangs befand. Schießscharten, die fast ebenerdig lagen, gaben die Möglichkeit, beide Seiten des Tores zu beobachten. Das war günstig. Sie nahmen so viel an Lebensmitteln mit, dass Abiram für die nächsten Tage genug zu essen hatte.
Da im Turm gerade so viel Platz war, dass Abiram darin liegen konnte, stapelten sie die Büchsen und Gläser im Wehrgang oberhalb des Tores. Zick hing die Würste an die Zinnen innerhalb der schattigen Wand.
»Sieht aus wie im Schlaraffenland«, lächelte Abiram, der alle Scheu verloren hatte.
Es war kalt und der Wind blies ihnen durch die dünnen Trainingsjacken. Abiram legte Zick die Uniformjacke um die Schultern.
»Ich bring dir morgen was anderes zum Anziehen«, sagte Antek. »Die Jacke müssen wir vernichten. Wie kann Ruth nur auf die Idee kommen, dir eine Uniformjacke zu bringen.«
»Wahrscheinlich hat sie sich nichts dabei gedacht«, entschuldigte sie Abiram.
»Das ist es ja!«
»Sagt mal, wollt ihr eigentlich nicht wissen, wie Paule zu dem Zweitschlüssel gekommen ist?«, fragte Paule beleidigt. Er saß am Anfang des Wehrgangs zwischen zwei Zinnen, den Rücken den Trümmerfeldern zugekehrt. »Schließlich habt ihr mir die Freiheit zu verdanken!«
»Na, erzähl’s doch!«
»Ich hab mir von Willi einen Wachsabdruck besorgt. Hat der Dussel gar nicht gemerkt und dann hab ich mir den Schlüssel gegen meine Kupferrohre eingetauscht. Toll was?«
»Und das hast du meinetwegen gemacht?«, fragte Abiram.
Antek drehte sich schnell um und Paule wurde rot. »Was du so fragst«, knurrte er.
Plötzlich reckte sich Paule zwischen den Zinnen. »Ssst …« Er schob sich von der Mauer zur gegenüberliegenden Seite, beugte sich über den Rand und winkte den Freunden.
Ein paar Meter vor der Einfahrt stand Willi mit einem Mann. Sie mussten etwas gehört haben, denn sie bewegten sich nicht von der Stelle. Dann sagte der Mann etwas zu Willi und beide gingen weiter durch das Tor in Richtung Schillerstraße.
»Gemeines Schwein!«, zischte Paule.
»Geht jetzt«, sagte Abiram, als er Willi und den Mann außer Hörweite wusste. »Wenn Willi zurückkommt, müsst ihr im Alumnat sein. Da kann er euch so leicht nichts nachweisen.«
»Und was wird aus dir?«, fragte Antek.
»Ihr habt mir genug geholfen.« Er zeigte auf die Büchsen und Würste. »Da kann ich’s aushalten, bis die Russen kommen!«
»Was, Mensch, auf die Russen warten? Du hast ja einen Webfehler. Was versprichst du dir denn von denen?«
»Die Freiheit«, sagte Abiram einfach.
»Freiheit«, Paule tippte an seine Stirn, »frag mal die Flüchtlinge, die werden dir was von Freiheit erzählen!«
»Die Russen kastrieren alle«, fuhr Zick dazwischen und fühlte einen Schauer über seinen Rücken laufen.
»So, kastrieren?«, fragte Antek, »weißt du denn überhaupt, was das ist?«
»Jedenfalls etwas, was für Männer und Frauen sehr unangenehm ist«, fauchte Zick zurück.
Paule krümmte sich vor Vergnügen. »Zick, das war bisher dein bester Witz!«
»Lass mal, Zick«, sagte Abiram, »es ist sicher unangenehm, bloß die Russen machen es bestimmt nicht mit uns.«
Antek sah auf die Uhr. »Also, was machen wir jetzt mit dir?«, fragte er Abiram. »Hier auf die Russen zu warten halte ich auch nicht für den genialsten Gedanken. Wo wolltest du denn eigentlich hin, als du hier in die Stadt kamst?«
»Ach, das hat keinen Zweck«, lehnte Abiram ab.
»Erzähl doch, vielleicht können wir helfen!«
Abiram schüttelte den Kopf. »Nein,
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