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Stern ohne Himmel

Stern ohne Himmel

Titel: Stern ohne Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Ossowski
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einem Schutthaufen hervor. Dieser Lärm konnte nur von dem Juden herrühren. Da entdeckte er Ruth. »Was machst du hier?«, schrie er. Sein Zorn über den erneuten Misserfolg häufte sich auf Ruth.
    Ruth wusste keine Antwort.
    »Antworte!«, brüllte Willi.
    Ruth schüttelte den Kopf.
    »Ich schlage Mädchen nicht.« Willi starrte böse auf ihre aufgelösten Haare.
    Ruth begann, den Zopf wieder zusammenzuflechten.
    »Ich diskutiere aber auch nicht mit Mädchen!«
    Ruth hob die Schultern.
    »Setz dich da hin!«
    Ruth ließ sich zögernd auf den angewiesenen Platz nieder.
    Willi setzte sich daneben.
    »Was hast du hier gemacht?«
    »Brennholz.«
    »Wo warst du gestern Abend?«
    »Zu Hause. Bei uns war eine kranke Frau.«
    »Wo haben die Jungen den Juden versteckt?«
    »Ich weiß es nicht!«
    Willi griff nach ihrem Handgelenk.
    »Hast du mit Antek gesprochen?«
    »Gestern«, sagte Ruth, ohne sich zu wehren.
    Er ließ sie los. Ruth rieb sich die rote Stelle oberhalb des Gelenkes. »Warum machst du das alles?«, fragte sie.
    Willis Fuß trat gegen ein Holzstück. »Ich habe dir gesagt, ich diskutiere nicht mit Mädchen, genauso wenig, wie ich dich schlage. Ich habe andere Mittel.«
    Er hockte sich vor Ruth. »Wenn du es mir nicht gleich sagst, gehe ich zu Jähde!«
    »Na und?«
    »Warte nur«, Willi schnalzte mit der Zunge, »dann werde ich nämlich Jähde sagen, dass es neulich mit der Motette von deinem Großvater kein Zufall war, sondern dass er sie Paule und Antek beigebracht hat.«
    »Das kannst du nicht machen!«, flüsterte sie.
    »Doch, das kann ich, oder du sagst mir, wo der Jude ist …« Willi wartete geduldig. »Das kann für deinen Großvater das Gefängnis bedeuten«, fügte er lässig hinzu. »Und das alles wegen einem dreckigen Juden …«
    Ruth sprang auf. »Aber ich weiß doch von nichts! Selbst wenn ich es wollte, könnte ich es dir nicht sagen. Außerdem hat das alles nichts mit Großvater zu tun!«
    »Das ist meine Sache!«
    Willi überlegte. Vielleicht hatten die Jungen Ruth das neue Versteck des Juden nicht gesagt. »Gut«, sagte er, »wenn du das Versteck nicht weißt, genügt es, wenn du mit mir zum Blockleiter oder meinetwegen auch zu Jähde kommst und aussagst, dass du gestern mit eigenen Augen einen Juden namens Abiram hier im Keller gesehen hast und dass ich ihn vor deinen Augen eingeschlossen habe.«
    Ruth wurde blass. »Nein, das kann ich nicht!«
    »Dann ist eben dein Großvater dran. Du musst ja wissen, wer dir lieber ist!«
    Willi lachte. Jetzt wusste er, dass er gewonnen hatte. »Ich weiß nicht, warum du dich da so anstellst! Den Juden wird das Arbeitslager, in das er kommt, auch nicht umwerfen.«
    Da sprang Ruth Willi an. Sie schlug, kratzte und trat Willi mit den Beinen. »Du gemeiner Hund, du!«, schrie sie, »du Lump!« Willi war auf ihren Angriff nicht vorbereitet, er stolperte und rutschte aus.
    Ruth lief fort. Sie hörte Willis drohende Rufe und rannte, so schnell es ging. Sie riss sich den Rock an einem Blech auf. Sie hörte Willi hinter sich. Jetzt war sie dicht am Stadttor. Mit einem Satz rettete sie sich in einen halb zugeschütteten Krater. Sie lag ausgestreckt auf dem Bauch, das Gesicht in das Gras gedrückt. Dicht oberhalb des Kraters tobten Willis Schritte vorbei. Er hatte sie nicht gesehen.
    Vorsichtig richtete Ruth sich auf. Mühselig kletterte sie aus dem Krater und da – Ruth presste die Hände auf den Mund. In einer Schießscharte eines Stadttores tauchte Abirams Kopf auf.
    Ruth hatte sich nicht getäuscht. Willi musste ihn auch gesehen haben. Jetzt waren alle verloren, Abiram, der Großvater und Antek.

Zu Hause gelang es Kimmich schwer, einen zusammenhängenden Bericht aus Ruth herauszubekommen. Immer wieder fing sie an zu weinen.
    »Er will dich anzeigen, Großvater!«
    »Da ist nichts anzuzeigen. Jähde war wegen der Motette hier.«
    Er zog Ruth an sich.
    »Weiß Willi etwas von Dressler?«
    Sie verneinte.
    »Wer weiß was von Dressler?«
    »Antek, Paule, Zick und ich. Die Jungen wollten ihn für Abiram suchen.«
    »Und du hast Abiram im Stadttor gesehen?«
    »Ja!«
    »Bleib jetzt hier«, sagte Kimmich. »Und schließ hinter mir ab. Mach niemanden auf, bis ich wieder da bin.«

Das Telefongespräch mit dem Ortsgruppenleiter hatte Jähde bestätigt, wie berechtigt sein Misstrauen gegen Kimmich war. Die anzüglichen Bemerkungen des Ortsgruppenleiters hatten ihn nicht weiter berührt. Das schrieb er der allgemeinen Nervosität zu, die die vorübergehende Krise an

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