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Sternchenhimmel

Sternchenhimmel

Titel: Sternchenhimmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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er.
    Augenblicklich und ohne die Spur eines Beweises schloss er, dass Cherry die aufreizenden Fotos nur für ihn inszeniert und die Bilder als beißenden Spott auf der Kamera gelassen hatte. Mit wachsendem Zorn betrachtete er jedes Foto wieder und wieder, und als er schließlich aus der Toilettenkabine kam, wurde er von etwas Irrationalem und Schicksalhaftem getrieben.
    Ann DeLusia war in Ames im Staate Iowa zur Welt gekommen und hatte ihren richtigen Vater niemals kennengelernt. Ihre Mutter hatte sie allein großgezogen, eine vegane Gemischtwarenhändlerin, die zu einer geifernden Fundamentalistin wurde und einen Profi-Bowlingspieler heiratete, als Ann im dritten Semester auf der Michigan State University war. Aus Protest brach Ann ihr Studium ab und zog nach Südkalifornien, wo sie Drehbuchautorin zu werden beabsichtigte, bis zu dem Abend, als sie aus Versehen mit einem Drehbuchschreiber schlief. Die Konversation war sogar noch öder als der Sex, woraus Ann schlussfolgerte, dass die goldenen Zeiten von Elaine May und William Goldman vorüber waren.
    Auf das Drängen einer Freundin hin beschloss sie, es mit der Schauspielerei zu versuchen, und ihres Aussehens wegen – das ihr abgeschmackter Agent mit »gesunde Sinnlichkeit« umschrieb – bekam sie Rollen ohne Text in Fernsehwerbespots für diverse weibliche Hygieneartikel, einschließlich eines recycelbaren Verhütungsrings. Schließlich ergatterte Ann die Rolle der Anwältin Joanne Jefferson in einer Aufführung von Rent, und obwohl die Gage enttäuschend war, bekam sie gute Kritiken. Sie hatte kein Problem damit, eine Lesbe zu spielen, und im Lichte ihrer schlechten Erfahrungen mit Männern in Los Angeles begann sie, auch im wirklichen Leben eine Umorientierung in Betracht zu ziehen.
    Dann begegnete sie Lawrence, einem Flötisten mit einem dahinschwindenden Treuhandfonds, einem Strandhaus in San Clemente und einzigartigem Talent im Bett. Ann DeLusia begann sich mit Lawrence ungewohnt wohlzufühlen und ertappte sich dabei, wie sie zahlreiche Charakterdefizite übersah, zum Beispiel seine Angewohnheit, zusammen mit seinen Springer Spaniels zu duschen und in Restaurants nur neun Prozent Trinkgeld zu geben. Jeden Abend rieb Ann die handtellergroße Glatze ihres neuen Freundes vor dem Schlafengehen behutsam mit Haarwuchsschaum ein, eine Geste, die laut Lawrence’ Mutter der Beweis wahrer Liebe war.
    Nach knapp einem Jahr fand Ann zu ihrer Überraschung heraus, dass ihr Flötist etwas mit einer fünfzehn Jahre älteren Frau hatte, die eine chemische Reinigung in Marin County besaß und ihn für Orgien und Renaissance-Volksfeste einzufliegen pflegte. Ann gab Lawrence am selben Tag den Laufpass, als ihre Agentur wegen eines ungewöhnlichen Engagements anrief, zu dem eine gute Gage und häufiges Reisen gehörten, und außerdem eine eidesstattliche Verschwiegenheitsvereinbarung. Das »Vorsprechen« war ein zehnminütiges Treffen in der Lounge des Four Seasons mit Janet Bunterman, die Anns blonde Locken befingerte, ihre Haut in Augenschein nahm und sich nach ihrer BH -Größe erkundigte, ehe sie sie zur Tür hinausschickte. Am nächsten Morgen bekam Ann die telefonische Zusage. Sie akzeptierte, weil sie das Geld brauchte und weil ihr außerdem der Gedanke gefiel, keine Bühnenrolle, sondern eine ganz andere Frau zu spielen, eine, die nicht auf dauergeile Angeber mit Holzblasinstrumenten hereinfiel.
    Obgleich sie Cherry Pyes Laufbahn nicht mit gebannter Aufmerksamkeit verfolgt hatte, wusste Ann aus dem Boulevardfernsehen von den dunklen Trieben und dem zweifelhaften Ruf der Sängerin. Sie stellte sich vor, dass es niemals langweilig werden würde, als Cherrys heimliches Double zu arbeiten – und wahrscheinlich würde sie einem Leben als Star niemals näher kommen.
    »Warum?«, fragte die Hennakünstlerin, die, wie sich herausstellte, Libanesin war, keine Pakistani. »Warum du tust deinem Körper so etwas an?«
    Ann DeLusia meinte, das sei eine lange Geschichte. Die Frau betrachtete ausführlich das Polaroidfoto von Cherrys Tattoo und prustete missbilligend. »Was diese Bild soll sein?«
    »Das Gesicht eines Mannes auf einem Zebra. Eigentlich auf einem halben Zebra.«
    »Nein, nein«, sträubte sich die Künstlerin. »Für dich das ist nicht richtig.«
    »Bitte, Sasha. Ich habe nicht viel Zeit.«
    »Ist ein Penis, das Ding da?« Angewidert zeigte die Künstlerin mit dem Finger. »Penis von Zebra?«
    »Könnte schon sein«, gab Ann zu.
    »Das ist Abartigkeit, junge Lady!

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